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Steuer- und Zivilrecht

VwGH zur Übertragung stiller Reserven bei Privatstiftungen

Privatstiftungen können Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, an der die Stiftung innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war, im Kalenderjahr der Veräußerung auf eine neu angeschaffte, mehr als 10%-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft übertragen. Dies hat den Vorteil, dass der Veräußerungsüberschuss nicht der Zwischensteuer (bis 2022: 25%, 2023: 24%, ab 2024: 23%) unterliegt. Die Übertragung der stillen Reserven führt zu einer Verminderung der Anschaffungskosten des neu erworbenen Anteils und somit zu einer Aufschiebung der Zwischenbesteuerung auf den Zeitpunkt des Verkaufs dieser Ersatzinvestition.

In der Vergangenheit übertrugen Privatstiftungen Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen häufig auf eine 100%-ige Tochterkapitalgesellschaft im Wege einer Kapitalerhöhung und Leistung eines Agios.In den Stiftungsrichtlinien der Finanzverwaltung ist diese Methode als zulässige Möglichkeit zur Anschaffung einer Ersatzinvestition explizit angeführt.

Der Verwaltungsgerichtshof verneint in seiner Entscheidung vom 17. November 2022 (Ra 2021/15/0053-9) allerdings die Übertragung stiller Reserven durch eine Kapitalerhöhung inklusive Agio bei einer bereits bestehenden, 100%-igen Tochtergesellschaft. Eine Ersatzinvestition liegt nach dem Körperschaftsteuergesetz nur vor, wenn ein Anteil an einer Körperschaft von mehr als 10% erworben wird. Da die Privatstiftung im gegenständlichen Fall allerdings bereits zu 100% an der Tochtergesellschaft beteiligt war, erwarb sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes durch die Kapitalerhöhung keinen neuen (zusätzlichen) Anteil von über 10%. Weiters kann auch keine Übertragung stiller Reserven auf das Agio erfolgen. Dieses wird bei einer 100%-igen Beteiligung nicht zur Abgeltung des über das Nominale hinausgehenden Wertes bzw zum Ausgleich der Beiträge verschiedener Gesellschafter der Kapitalgesellschaft geleistet.

Wir werden Sie zeitnah über die derzeit noch nicht geklärte Vorgangsweise der Finanzverwaltung bei Ersatzinvestitionen, die im Vertrauen auf die Stiftungsrichtlinien in der Vergangenheit durchgeführt wurden, und die steuerlichen Konsequenzen für die zukünftige Übertragung stiller Reserven informieren.

Mag. Stefan Kulischek (stefan.kulischek@at.ey.com), Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Geschäftsführer bei Ernst & Young Österreich und verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der steuerlichen Beratung von vermögenden Privatkunden. Er ist Mitglied in Stiftungsvorständen sowie Autor von Fachartikeln und Buchbeiträgen zu den Themenschwerpunkten Privatstiftungen und Vermögensveranlagung.