Oft scheitert die Auflösung von Privatstiftungen an der hohen ertragsteuerlichen Belastung resultierend aus dem Mausefalleneffekt. Diese kann bei der Auskehrung des Stiftungsvermögens an den Letztbegünstigten zuschnappen. Dabei kommt es zu einer Besteuerung der stillen Reserven des auszukehrenden Stiftungsvermögens basierend auf den historischen Anschaffungskosten des Stifters. Denn auch die Auskehrung des Stiftungsvermögens an den Letztbegünstigten unterliegt der 27,5%igen Kapitalertragsteuer bezogen auf die fiktiven Anschaffungskosten im Zuwendungszeitpunkt. Dabei können lediglich die Stiftungseingangswerte, die in der Regel den historischen Anschaffungskosten des Stifters entsprechen, abgezogen werden.
Bei Vermögen, das der Privatstiftung vor dem 1. August 2008 zugewendet wurde (sog „Altvermögen“), können die Stiftungseingangswerte („die für den Stifter bei Einlage des Vermögens maßgeblichen Werte“) auf Antrag nur dann abgezogen werden, wenn die Privatstiftung widerrufen wurde und die Letztzuwendung an den Stifter erfolgt. Ist der Letztbegünstigte nicht zugleich der Stifter oder ist kein Widerruf der Privatstiftung möglich, steht der Abzug der Stiftungseingangswerte generell nicht zu.
Bei Vermögen, das der Privatstiftung ab 1. August 2008 zugewendet wurde (sog „Neuvermögen“), sind steuerneutrale Substanzauszahlungen bei jeder Zuwendung an Begünstigte möglich, sofern die Verwendungsreihenfolge (Ertrag vor Substanz) sowie formelle Voraussetzungen, wie zB die Führung eines eigenen Evidenzkontos über die Stiftungseingangswerte sowie ein geprüfter Jahresabschluss, eingehalten werden. Aber auch für Neuvermögen gilt, dass als Stiftungseingangswerte bei nicht betrieblich genutztem Vermögen die historischen Anschaffungskosten des Stifters bei Zuwendung des Vermögens an die Privatstiftung anzusetzen sind. Daher tritt auch bei der Auskehrung von Neuvermögen ein Mausefalleneffekt ein.
Der Verfassungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 27. November 2019, E 5018/2018-16, die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Substanzbesteuerung bei Letztzuwendung von Altvermögen, das im Zeitpunkt der Zuwendung nicht mehr spekulationsverfangen war, bestätigt. Konkret wurden im gegenständlichen Fall einer Privatstiftung im Jahr 2000 Liegenschaften aus dem Privatvermögen der Stifterin unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes nach Ablauf der Spekulationsfrist zugewendet. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs sind bei der Bemessung der Kapitalertragsteuer die Verkehrswerte der Liegenschaften im Zeitpunkt der Zuwendung (vorliegend nach Abzug des Wertes des Fruchtgenussrechtes) an die Privatstiftung als Abzugsposten anzusetzen. Dies entspreche – so der Verfassungsgerichtshof – auch dem gesetzgeberischen Willen bei Einführung des Privatstiftungsgesetzes, nach welchem bei Fortbestehen des zugewendeten Vermögens beim Stifter ertragsteuerlich das Besteuerungsniveau des Stifters als Obergrenze heranzuziehen ist (Stichwort Einfachbesteuerung der Erträge). Die Heranziehung der Verkehrswerte als Stiftungseingangswerte für im Zeitpunkt der Zuwendung nicht mehr spekulationsverfangenem Stiftungsvermögen kommt einer steuerneutralen Aufwertung des Vermögens auf den Verkehrswert im Zuwendungszeitpunkt gleich. Dies mit dem Effekt, dass lediglich der Wertzuwachs des Vermögens während der Stiftungsdauer der Zuwendungsbesteuerung bei Auskehrung an den Letztbegünstigten unterliegt.
Hinsichtlich der Reichweite dieser Entscheidung ist festzuhalten, dass diese zur Rechtslage vor 1. August 2008 und somit vor Inkrafttreten des Schenkungsmeldegesetzes 2008 ergangen ist. Daher bleibt abzuwarten, ob mit dieser Entscheidung generell der Mausefalleneffekt von Vermögen als eliminiert gilt, dessen Vermögensgewinne im Zeitpunkt der Stiftung nicht mehr steuerverfangen sind. Dies wäre zB für Portfolioaktien und Fondsanteilen der Fall, die der Stifter vor dem 1. Jänner 2011 erworben hat (sog „Altbestände“) oder nicht mehr spekulationsverfangene Sachgüter wie beispielsweise Kunstwerke. Auf Immobilienvermögen ist diese Entscheidung aber jedenfalls nach Einführung der Immobilienertragsteuer mit 1. April 2012 nicht unmittelbar übertragbar. Dasselbe gilt für wesentliche Unternehmensbeteiligungen (ab 1%), die bereits vor der Einführung der Vermögenszuwachssteuer unabhängig von der Behaltedauer steuerhängig waren.
Dr. Yvonne Schuchter-Mang ist Steuerberaterin und Partnerin bei LeitnerLeitner