Skip to main content
Steuer- und Zivilrecht

Der nachlässige Stiftungsvorstand und die Stiftung als Weihnachtsgans

By 18. Juli 2019Oktober 27th, 2020No Comments

Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25.04.2019 zu 6 Ob 35/19v lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Stiftungsvorstand der Privatstiftung bestand aus vier Mitgliedern. Da die Stiftungsvorstandsmitglieder A und B vom österreichischen Privatstiftungsrecht keinerlei Kenntnis hatten, überließen sie dem dritten Stiftungsvorstand Z die Geschäftsführung. A und B blieben in der Stiftung weitgehend untätig. Nach einiger Zeit wurde A und B mitgeteilt, dass Z die Stiftung „wie eine Weihnachtsgans ausnehme“; Stiftungsvermögen wurde ohne Vorstandsbeschlüsse verpfändet, beschlussfähige Vorstandssitzungen fanden ohne die erforderliche Anwesenheit von mehr als zwei Vorstandsmitgliedern statt, Jahresabschlüsse waren ausständig und nicht genehmigte Insichgeschäfte des Z standen an der Tagesordnung.

C, ein ehemaliges Mitglied des Stiftungsvorstands, schlug A und B vor, dass diese den C damit beauftragen sollten „den Z zu stoppen“. Ohne entsprechenden Vorstandsbeschluss bevollmächtigten sodann A und B den C namens der Stiftung. C übernahm aufgrund des mündlichen Auftrags das „Mandat der Stiftung“. C war bekannt, dass es für seine Beauftragung namens der Stiftung an einem satzungskonformen Vorstandsbeschluss und Quorum mangelte. C legte mehrere Honorarnoten für seine Tätigkeit für die Stiftung und A und B gaben im Namen der Stiftung die Honorarnoten frei.

Der Kläger – ein Rechtsanwalt des Stifters – begehrte von C die Rückzahlung von rechtsgrundlos ausbezahlten Honoraren. Gegen A und B stützte der Kläger Ansprüche in derselben Höhe auf Pflichtverletzung wegen Handlungen ohne Vorstandsbeschluss.

Der Oberste Gerichtshof legte seiner Entscheidung kurz zusammengefasst folgende Überlegungen zugrunde:

Jedem Akt ordnungsgemäßer Vertretung im Außenverhältnis hat eine entsprechende Geschäftsführungshandlung im Innenverhältnis vorauszugehen. C sei klar gewesen, dass der Stiftungsvorstand nicht beschlussfähig gewesen sei und A und B den C im Namen der Stiftung beauftragen konnten, aber nicht durften. Der Zweck der unbeschränkten organschaftlichen Vertretungsmacht liegt darin, dass Geschäftspartner nicht verpflichtet sind, interne Zuständigkeiten der Gesellschaft, beispielsweise die Geschäftsführungsbefugnis des handelnden Organs, zu prüfen. Dritte, die wissen, dass das Organ interne Pflichten verletzt, sind aber nicht schutzwürdig. Für die Unwirksamkeit des Vertretungsakts reicht es bereits aus, wenn der Vertreter durch seine Handlung interne Beschränkungen missachtet und der Dritte davon Kenntnis hat. C hatte Kenntnis vom objektiv pflichtwidrigen Handeln des A und B, weil C die Satzung der Stiftung aus seiner Zeit als Vorstandsmitglied kannte. Da somit für die Beauftragung und die Bezahlung der Honorarforderungen des C keine wirksame Beauftragung durch die Stiftung zugrundelag, sind diese gemäß § 1431 ABGB rückabzuwickeln.

Die Beauftragung des C diente nicht den Interessen der Stiftung, sondern den Interessen des A und B, weil C zahlreiche Unterlagen beigeschafft, Erhebungen zum Zustand der Stiftung angestellt und eine „Fact Finding Mission“ betrieben hat. Ein sorgfältiger Stiftungsvorstand sollte selbst über die Fakten in der Stiftung Bescheid wissen und nicht erst einer von einem Dritten durchgeführten „Fact Finding Mission“ bedürfen, um Versäumnisse des Stiftungsvorstands aufzuarbeiten und auszugleichen.

C wusste, dass es für seine Beauftragung namens der Stiftung an einem satzungskonformen Vorstandsbeschluss und Quorum mangle. C war auch zumindest erkennbar, dass seine Leistungen in Wahrheit nicht für die Stiftung gedacht waren, sondern vor allem im Interesse des A und B selbst lagen. Dennoch empfahl C dem A und B aktiv die Mandatserteilung im Namen der Stiftung, um eine Kostenbelastung des A und B zu vermeiden und die Kosten stattdessen der Stiftung „umzuhängen“.

A und B haben ohne Befassung des Gesamtvorstands den C auf Kosten der Stiftung ein Mandat erteilt, während es ihnen in Wahrheit darum ging, eigene Versäumnisse bei der Ausübung ihrer Vorstandsfunktion nachzuholen. Damit war das Klagebegehren auch gegen A und B berechtigt. A und B haften für alle an C unter Verletzung der Vorschriften über die interne Willensbildung der Stiftung ausbezahlten Beträge. Da sich diese Verpflichtung umfangmäßig mit der Rückzahlungspflicht des C deckt, haften A, B und C solidarisch.

FAZIT

A und B hätten die Funktion des Stiftungsvorstands nur dann annehmen sollen, wenn sie einerseits ausreichend Kenntnis vom österreichischen Stiftungsrecht gehabt hätten und sie andererseits in der Lage gewesen wären ihre Funktion als Stiftungsvorstand entsprechend auszuüben (geschuldet ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab!). Sie hätten im gegenständlichen Fall das Mandat nicht annehmen dürfen. C hätte sehr wohl A und B als Stiftungsvorstandsmitglieder vertreten und auf deren Rechnung tätig werden können.