MiFID II schafft mehr Kostenbewusstsein – aber auch mehr Transparenz?
Haben Sie als Depotinhaber oder Vorstand einer Stiftung bereits den sogenannten „Gesamtkostenausweis“ Ihrer Depotbank erhalten? Einige Banken haben schon und etliche werden noch im zweiten Halbjahr 2019 die Kostenausweise für 2018 versenden. Vielleicht waren auch Sie überrascht von der Höhe der darin angeführten Kosten. Die Gesamtkosten scheinen in vielen Fällen deutlich über jenen Gebühren zu liegen, die der Kunde mit den Banken wissentlich vereinbart hat und die auf Belegen ausgewiesen werden. Die Erfahrung zeigt, dass nach wie vor bis zu zwei Drittel der Gesamtkosten für den Kunden nicht direkt ersichtlich sind, wie z.B. Kosten von Fonds oder Margen bei Devisengeschäften.
Mit MiFID II erstmals die Gesamtkosten im Blick
Bereits nach dem bisherigen europäischen Regime der sog. „Markets in Financial Instruments Directive“ (kurz „MiFID“) galt für Finanzinstitute, wie Banken und Wertpapierfirmen, das Postulat der umfassenden Offenlegung von Kosten und Gebühren gegenüber dem Kunden. Allerdings waren die gesetzlichen Vorgaben wenig präzise, wodurch die Darstellungen der einzelnen Anbieter in der Praxis einerseits recht inhomogen ausfielen und andererseits oftmals gleich über mehrere Dokumente verteilt waren. So fanden sich Informationen zu Kosten etwa in Beratungs- oder Verwaltungsverträgen, Kundeninformationsdokumenten, Prospekten oder Leistungs- bzw. Gebührenverzeichnissen, vielfach ohne dass der Kunde die Gesamtkosten im Blick hatte.
Verpflichtende Offenlegung der Produktkosten
Diesen Defiziten wollte der Gesetzgeber nun mit einer weiteren Finanzmarktrichtlinie, MiFID II, begegnen. MiFID II ist in den einzelnen Mitgliedstaaten, so auch in Österreich, national umgesetzt und seit 3. Jänner 2018 in Kraft. Die Richtlinie verpflichtet Finanzinstitute, ihre Kunden umfassend über alle Kosten und Nebenkosten in Bezug auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebenleistungen (i.e. Dienstleistungskosten) zu informieren. Darüber hinaus trifft die Finanzinstitute in bestimmten Fällen auch eine Pflicht zur Offenlegung der Produktkosten, also jener Kosten, die den einzelnen im Rahmen der Dienstleistungen eingesetzten Finanzinstrumenten anhaften; etwa dann, wenn das Institut Finanzinstrumente wie Fonds, strukturierte Produkte, etc. empfiehlt oder in der Vermögensverwaltung einsetzt.
Zuordnung der einzelnen Kostenarten
Die folgende Darstellung enthält Beispiele für die Zuordnung einzelner Aufwände zu den Produkt- und Dienstleistungskosten. Die Zuordnung kann in der Praxis allerdings variieren.
Dienstleistungskosten | Beispiele |
Einmalige Kosten | Eröffnungs-, Wechsel- oder Beendigungsgebühren, Ausgabeaufschläge, Rücknahmeabschläge |
Fortlaufende Kosten | Verwaltungs-, Beratungs-und Depotgebühren |
Produktkosten | Beispiele |
Einmalige, im Produkt enthaltene (Anfangs-/End-)Kosten | Strukturierungskosten, Vertriebsgebühren |
Fortlaufende (aus dem „Produktwert“ entnommene) Kosten | Management- und Performancefee innerhalb der Produkte, Dienstleistungskosten, Kosten für Wertpapierleihe, Finanzierungskosten |
Anforderungen an die Kostendarstellung
Gleichermaßen interessant und in der Praxis herausfordernd ist einerseits Art und Umfang sowie andererseits Zeitpunkt bzw. Zeitraum dieser Verpflichtungen gemäß den Vorgaben des Gesetzgebers. Zum einen sind die Kosten und Gebühren nämlich vom Dienstleister zu addieren und dem Kunden in Form einer aggregierten Gesamtkostensumme zu präsentieren – und zwar absolut wie prozentuell. Auf Wunsch des Kunden muss ihm darüber hinaus eine Einzelaufstellung der Kosten zur Verfügung gestellt werden, die eine Aufschlüsselung in einmalige und laufende Kosten zu enthalten hat und auch über Kosten im Zusammenhang mit Transaktionen und Nebendienstleistungen informiert. Zuwendungen von dritter Seite (sogenannte „Vorteile“) sind separat offenzulegen. Schließlich ist dem Kunden auch die „kumulative Wirkung“ der Kosten auf die Rendite der Anlage zu veranschaulichen; dies einhergehend mit einer Beschreibung sowie einer Darstellung voraussichtlicher Kostenspitzen und -schwankungen.
Darstellung der Kosten variiert erheblich
Ungeachtet dieser Vorgaben scheint sich die Intention des Gesetzgebers in punkto Homogenität von Darstellung und Datenqualität nicht oder zumindest nicht im gewünschten Ausmaß zu realisieren: Denn trotz der konkretisierten Vorgaben variieren die Kostendarstellungen der einzelnen Institute nach wie vor teils erheblich. Auch die Datenbasis sowie das Verständnis über Begrifflichkeiten variiert vielerorts, sodass der Blick auf die Kosteninformationen keinesfalls immer Klarheit darüber gibt, welche Kostenpositionen den dargestellten (Gesamt-)Beträgen zugrunde liegen und was genau unter den dargestellten Kosten zu verstehen ist.
Auch die Zuordnung der Kosten, die zwischen Gesellschaften einer Kreditinstitutsgruppe verrechnet werden, ist in der Praxis vielfach nicht transparent. Werden Gebühren, die nicht von der Depotbank sondern von einer anderen Gesellschaft innerhalb der Gruppe belastet werden, transparent ausgewiesen oder fließen diese als Abschlag in der Bewertung des Finanzprodukts ein und sind damit für den Kunden nicht ersichtlich?
Sind Zuwendungen an die Bank von dritter Seite zulässig?
Grundsätzlich gilt das Postulat des Verbots der Annahme und Gewährung von Zuwendungen bzw. – wie es im Gesetz heißt – von Vorteilen. Vorteile sind nur sehr eingeschränkt in den vom Gesetzgeber gewährten Ausnahmefällen zulässig. So darf eine Bank etwa Vorteile von dritter Seite nur annehmen und behalten, sofern der Vorteil einerseits dem Kunden gegenüber vollumfänglich – und separat im Rahmen der Kostentransparenz (siehe oben) – offengelegt wird und andererseits die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung dadurch verbessert wird. Verwaltet die Bank allerdings für den Kunden Vermögen im Sinne einer Portfolioverwaltung, so ist ihr die Annahme und das Behalten von Vorteilen – bis auf sogenannte „geringfügige nicht-monetäre Vorteile“ – generell verboten.
In der Praxis empfiehlt es sich – insbesondere für den Vorstand einer Stiftung – eine jährliche Bestätigung der Bank – und zwar für sämtliche gruppenzugehörige Unternehmen – einzuholen, dass diese keine Zuwendungen erhält bzw. diese bei Annahme vollständig an den Depotinhaber weitergeleitet hat.
Warum lassen sich die Institute mit dem Kostenausweis so lange Zeit?
Die Transparenzverpflichtungen gelten sowohl ex ante, d.h. vor Dienstleistungserbringung bzw. Geschäftsabschluss, als auch ex post, und zwar zumindest jährlich. Dabei steht es den Finanzinstituten offen, ihre wiederkehrende (ex post) Kostentransparenz im Rahmen ihrer – ohnedies gemäß MiFID II vorzunehmenden – Berichterstattung abzubilden. Konkreteres lässt der Gesetzgeber allerdings vermissen, wodurch sich die Frage nach den berichtsrelevanten Perioden bzw. Stichtagen und insbesondere nach der zulässigen Zeitverzögerung zwischen berichtsrelevantem Stichtag einerseits und Übermittlung an den Kunden andererseits stellt. Soweit derzeit bekannt und absehbar, scheinen die einzelnen Institute als relevante Bezugsgröße zwar – allesamt oder zumindest zum deutlich überwiegenden Teil – das Kalenderjahr für die Erfüllung ihrer jährlichen Kostentransparenzpflichten heranzuziehen; die jeweiligen Übermittlungszeitpunkte variieren teilweise allerdings stark. Es wird abzuwarten sein, ob dies der Effekt einer ersten „Feuerprobe“ war (Anm.: die erste ex post Kostentransparenz für 2018 fand bzw. findet nun in 2019 statt), oder ob wir dies auch in den Folgejahren beobachten können.
Spezialprobleme bei Spezialfonds
Kunden, die in einen Spezialfonds investiert sind, der ein vom Kalenderjahr abweichendes Rechnungsjahr aufweist, werden vermutlich Schwierigkeiten haben, die Zahlen im Rechenschaftsbericht des Fonds mit dem Kostenausweis der Depotbank für das Kalenderjahr abzustimmen. Darüber hinaus werden die Depotbanken voraussichtlich sämtliche Kosten im Fonds – also auch Dienstleistungskosten wie Verwaltungsgebühr oder Depotgebühr – als Produktkosten ausweisen und innerhalb diese nicht im Detail aufschlüsseln.
Unabhängige Expertenmeinung lohnt sich
Vielen Depotinhabern wird die Analyse der Zahlen in der Praxis Probleme bereiten. Es wird sich in etlichen Fällen lohnen, die Information des Finanzinstituts zum Anlass zu nehmen, die Kosten im Detail zu analysieren und gegebenenfalls Optimierungen vorzunehmen. Insbesondere der Vorstand einer Stiftung sollte sich hier im Sinne seiner Sorgfaltspflicht für die treuhänderische Verwaltung des Vermögens absichern. Kunden tun jedenfalls gut daran, sich nicht nur auf die Interpretation der Kosten durch den Kundenbetreuer zu verlassen, sondern im Zweifel unabhängige Expertise für die Analyse in Anspruch zu nehmen.
Autoren:
Mag. Stefan Kargl ist Geschäftsführer der LMM Investment Controlling AG, Wien. Er hat sich nach seiner Ausbildung zum Steuerberater auf den Kapitalmarktbereich spezialisiert. Als unabhängiger Investment Controller analysiert und überwacht die LMM AG die Vermögensanlagen ihrer Kunden (insbesondere Stiftungen und vermögende Privatpersonen) und berichtet transparent über Rendite, Risiko und Kosten.
Mag. Günther Ritzinger ist Kapitalmarktrechtsexperte und geschäftsführender Gesellschafter der Kapitalmarkt Consult KCU GmbH. Seine beruflichen Erfahrungen vor Gründung der KCU sammelte er ua. als leitender Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht (FMA) sowie als leitender Mitarbeiter von Banken und Wertpapierfirmen, dies ua. in den Bereichen Recht, Compliance, Interne Revision und Risikomanagement.