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Hilfe, vom Aussterben bedroht!

Von einer breiten Öffentlichkeit unbeachtet, möchte ich hier auf das schreckliche Schicksaal einer bedrohten Wirtschaftsart aufmerksam machen.

Über Jahrhunderte leistete der Kapitalismus großartige Dienste für die Welt – nun ist er vom Aussterben bedroht. Stets im Schatten von Altruisten und sozial Engagierten, wurde ihm nie die Wertschätzung zu teil, welcher er verdient hätte. Die einzigartige Idee, produktive Kräfte frei dorthin zu lenken, wo sie langfristig die größte Wertschöpfung erbringen, hat die Welt wie kaum je ein anderes Konzept verbessert. Keine Anerkennung für die wahrlich altruistischen Heldentaten zu erhalten war das eine, zum Sündenbock für alles Verwerfliche gemacht zu werden, dann aber wohl zu viel des Gutes. Einem Märtyrer gleich ertrug er die vielen Anfeindungen. Vorwürfe wie Egoismus und Geldgier ließ er über sich ergehen und lieferte dennoch völlig uneigennützig die Wohlstandgewinne, die dann wiederum all die anderen guten Menschen großzügig in der Nahrungskette zu verteilen wussten. Vom Waldsterben, über Fragen der Gleichheit bis zum Klimawandel, alles schien seine Schuld zu sein. Obwohl jeder, der es hätte sehen wollen, erkennen musste, dass es unter anderen Wirtschaftsarten um Waldsterben, Gleichheit und Klimawandel weitaus schlechter stand.

Fürsprecher hatte der Kapitalismus immer schon wenige, solidarisch zeigten sich ab und zu einige Wirtschaftswissenschaftler und Nicht-Regierungsorganisationen. Doch auch diese Gruppe wurde vom wütenden Virus des „woken“ Zeitgeistes dezimiert. Die Zerstörung seiner natürlichen Umgebung schritt schnell voran: Wettbewerb wurde als bösartig und Eigentumsrechte als lästig empfunden, freies Unternehmertum verachtet. Selbst das gesunde Streben nach Fortschritt hatte zuletzt in der jungen Population an Bedeutung verloren. Abkömmlinge wie Karriere und Leistung sind nach Osten auf den asiatischen Kontinent ausgewandert oder gedeihen prächtig im günstigen Habitat weit nördlich des Amazonas. Lobenswert sind die Selbsthilfegruppen von Sozialisten, die die letzten kapitalistischen Exemplare erhalten möchten, um den Verteilhunger ihrer eigenen bedrohten Herden stillen zu können. Das Aussterben des Kapitalismus belastet das Ökosystem, die Kippunkte sind überschritten: Die öffentliche Schuldenbelastung hat jegliche Grenzwerte überschritten, der Wohlstand schmilzt im nord-östlichen Alpenraum bedrohlich schnell und lässt die Sorgenpegel steigen.

Falls Sie in nächster Zeit einen jungen Kapitalisten in freier Wildbahn sehen, fangen sie die scheue Art behutsam ein – es könnte das letzte Exemplar dieser seltenen Spezies gewesen sein. Die Wiederansiedlung wird schwer werden.

Teodoro D. Cocca, Professor für Wealth und Asset Management an der Johannes Kepler Universität in Linz und Adjunct Professor am Swiss Finance Institute in Zürich. 

Dieser Artikel  erschien erstmals in den „Oberösterreichischen Nachrichten“