Die Stiftung nextgen hat mit Mail vom 2. Juli die Situation des Private Banking Marktes in Österreich beleuchtet. Anlass war die Übernahme der ZKB Österreich durch die LLB. Konstatiert wurde, dass sich damit nun auch die letzte Schweizer Bank aus Österreich verabschiedet habe. Noch vor wenigen Jahren wären mit Vontobel, UBS, Credit Suisse und ZKB vier Schweizer Banken in Österreich aktiv gewesen. Auch deutsche Häuser wie die Deutsche Bank, Sal. Oppenheim, Berenberg und die Commerzbank wären mit Niederlassungen vor Ort in Österreich aktiv gewesen und hätten Kunden betreut. Die Folge aus diesen Rückzügen sei ein Markt, der von wenigen Anbietern dominiert wird.
Damit wird ein Oligopol impliziert. Das ist richtig, wenn man die großen Banken betrachtet. Allerdings sind es oft auch die kleineren regionalen Banken, die sich vermehrt um vermögende Kunden kümmern. Ganz allgemein könnte man vermuten, dass die Ansicht, Vermögen in Österreich sei etwas Negatives, sich auch auf Banken übertragen habe. Zumindest wurde in den letzten Jahren weniger als früher in die Höherqualifizierung der Mitarbeiter investiert, man begnügt sich mit dem gesetzlichen Mindeststandard der Ausbildung. Oft werden auch Schlagworte bemüht, wie „Financial Health Company“, ohne dass das Unternehmen so genau weiß, was dahinter steht. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Zertifizierungszahlen des Österreichischen Verbandes Financial Planners. Seit 2019 sinkt bzw. bestenfalls stagniert die Zahl der Certified Financial Planner Professionals (näher dazu unten) in Österreich, während sie in vielen anderen Ländern, vor allem den USA boomt. Damit kann sich zu potentiell höheren Preisen auch potentiell schlechtere Beratungsqualität gesellen!
Wir müssen aber ehrlicherweise feststellen, dass ein positiver Wendepunkt erreicht zu sein scheint. Denn zum ersten Mal seit längerem steigen wieder die Zahlen vom Verband zertifizierter Finanzplaner CFP® und auch für 2025 ist der Ausblick recht gut. Die Banken scheinen erkannt zu haben, dass man im Private Banking Segment mit Produktverkauf im Wertpapiergeschäft nicht mehr weiterkommt und die Kunden eine umfassende Betreuung erwarten. Insofern kann man, zumindest pro futuro, nicht von einem drohenden Qualitätsverlust sprechen, wie das im Mail der Stiftung nextgen vom 2. Juli 2024 der Fall war.
Personal Financial Planning – die CFP®-Zertifizierung
Ein ideales Konzept, ob nun für vermögende Private oder institutionelle Kunden wie Stiftungen, ist persönliche Finanzplanung oder Financial Planning. Hier handelt es sich um einen holistischen Ansatz, bei dem es bei weitem nicht nur um die Veranlagung von Vermögen geht, sondern um einen ganzheitlichen Beratungsansatz mit ereignisgetriebener Beratungsfrequenz (kein produktgetriebener Verkaufsprozess!).
Dieser ganzheitliche Beratungsansatz umfasst nicht nur sämtliche Assetklassen (inkl. Immobilien, Sachanlagen etc.), sondern auch Risikoabsicherung, Altersvorsorge und Estate Planning, also Vermögensübergang zu Lebzeiten und im Todesfall. Financial Planning ist anlassbezogen und niemals produktgetrieben(!), und es weist einen sehr hohen Kundennutzen auf.
Kurz gefasst kann man Financial Planning wie folgt definieren:
„Financial Planning ist der strukturierte Prozess der Strategiebildung, um Kunden zu helfen, ihre finanziellen Angelegenheiten zur optimalen Erreichung ihrer Lebensziele zu regeln.“
Trotz aller Kürze der Definition ist der koordinierte Planungsprozess klar ersichtlich. Obgleich nicht explizit erwähnt, ist eine ganzheitliche Dienstleistung („holistic approach“), also ein ganzheitlicher Ansatz gemeint.
Wir unterscheiden sechs Kategorien im Financial Planning:
- Financial Management (sämtliche Liquiditäts- und Finanzierungsfragen)
- Asset Management (Wertpapiere und Derivate, aber auch alle anderen Assetklassen, wie alternative Investments, Rohstoffe, Immobilien, Kunst & Antiquitäten etc.)
- Risk Management (die komplette Risikovorsorge des Kunden, von Kranken- über Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung bis hin zur Pflegeversicherung)
- Tax Planning (Berücksichtigung von Steuereffekten, Steueroptimierung)
- Retirement Planning (adäquate Alters- und Pensionsvorsorge unter Berücksichtigung aller 3 Säulen)
- Estate Planning (Vermögensweitergabe inklusive Unternehmensnachfolge, sei es zu Lebzeiten oder im Todesfall)
Dieser aus den USA stammende und für Europa neue Ansatz wurde 2001 nach Österreich gebracht und anfangs von den Banken mit Begeisterung aufgenommen. Vorreiter bei den Banken war und ist die Schoellerbank AG, bei den freien Finanzdienstleistern die Finum Private Finance AG.
Hier muss man unbedingt ergänzen, dass für CFP®-Zertifikatsträger die 4-E-Regel gilt: Education, Examination, Experience und Ethics. Eine Beratung hat völlig produktneutral und nach ethischen Grundsätzen zu erfolgen. Der CFP-Standard wurde nicht zu Unrecht vom Wall Street Journal als der „Goldstandard in der Finanzberatung“ bezeichnet. Und immerhin verzeichnen wir mit Ende 2023 global 223.000 CFP® Professionals!
Es lohnt sich für Family Offices und Stiftungsvorstände, dieses Beratungskonzept, dass nicht nur für einzelne Personen, sondern auch für Personengruppen, wie Familien etwa, zur Anwendung kommen kann, ins Auge zu fassen. Eine komplette Übersicht der als CFP® zertifizierten Damen und Herren erhalten Sie in der Expertensuche des Österreichischen Verbandes Financial Planners unter www.cfp.
Der Autor:
Prof. (FH) Mag. Otto Lucius, CFP® EFA®
Langjähriger Geschäftsführer Österreichische Bankwissenschaftliche Gesellschaft
Gründer Österreichischer Verband Financial Planners