Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat sich mit der Entscheidung 12.06.2024, RV/5100730/2022 im Fall von Sachzuwendungen durch Privatstiftungen an Begünstigte für den Verlust der Altvermögenseigenschaft des übertragenen Vermögens ausgesprochen. Gegen die Entscheidung wurde bereits die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Sachverhalt:
Eine Privatstiftung schuf im Jahr 2007 Anteile an einem Investmentfonds an. Aufgrund des entgeltlichen Erwerbs vor dem 1.1.2011 handelte es sich um Wertpapiere des Altbestandes. Im Jahr 2015 wendete die Stiftung diese Anteile an den Begünstigten zu und führte vom Kurswert im Zeitpunkt der Übertragung der Fondsanteile Kapitalertragsteuer an das Finanzamt ab. Im Jahr 2017 veräußerte der Begünstigte die Fondsanteile. Die Bank behielt vom Veräußerungsgewinn Kapitalertragsteuer ein. Diese wurde dem Begünstigten vom Finanzamt mit der Begründung der fehlenden Altbestandseigenschaft der Wertpapiere und der dadurch bestehenden Steuerpflicht nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung:
In seiner rechtlichen Beurteilung stützt sich das BFG primär auf den Wortlaut des § 15 Abs. 3 Z 2 EStG: „… Die zugewendeten Wirtschaftsgüter und zugewendetes sonstiges Vermögen gelten bei Ermittlung der Einkünfte als angeschafft; zugewendete sonstige geldwerte Vorteile gelten als zugeflossen.“
Nach Ansicht des BFG wird aufgrund der gesetzlich festgelegten Anschaffungsfiktion ein entgeltlicher Erwerb angenommen. Ohne diese Konsequenz wäre die Bestimmung im Einkommensteuergesetz inhaltsleer. Dies kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Im Ergebnis wird die Zuwendung der Fondsanteile durch die Privatstiftung daher als entgeltlicher Erwerb des Begünstigten behandelt. Da der Erwerb konkret nach dem 31.12.2010 erfolgte, stellen die zugewendeten Fondsanteile beim Begünstigten keine steuerfreien Altbestands-, sondern steuerpflichtige Neubestandspapiere dar.
Auswirkungen:
In seiner Auslegung durch das BFG schafft § 15 Abs 3. EStG eine Zäsur: Auf Ebene der Privatstiftung handelt es sich bei Sachzuwendungen an die Begünstigten mangels Gegenleistung um einen unentgeltlichen Vorgang. Beim Begünstigten wird hingegen ein entgeltlicher Erwerb unterstellt. Der Zuwendungsempfänger führt nicht die steuerlichen Anschaffungskosten der Stiftung fort, sondern setzt das zugewendete Vermögen mit den fiktiven Anschaffungskosten (im vorliegenden Fall ist der Kurswert der Fondsanteile im Übertragungszeitpunkt relevant) an.
Vorsicht ist auch bei Sachzuwendungen von Immobilien geboten. Aufgrund der Anschaffungsfiktion kann beim Begünstigten die Altbestandseigenschaft der Immobilie (entgeltlicher Erwerb vor dem 31.3.2002) wegfallen und damit auch die (zumeist vorteilhafte) pauschale Ermittlung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen verloren gehen. Weiters ist zu bedenken, dass im Fall der Einstufung der Zuwendung als einen entgeltlichen Erwerbsvorgang die bei der Privatstiftung noch bestehenden Zehntel- oder Fünfzehntelbeträge (zB aus Instandsetzungen oder nicht regelmäßig jährlich anfallenden Instandhaltungen) beim Begünstigten nicht mehr als Werbungskosten abzugsfähig sind.
Bei Zuwendung von Unternehmensbeteiligungen ist zu beachten, dass die Entgeltlichkeitsfiktion zu einem Untergang von Verlustvorträgen führt, falls die weiteren Voraussetzungen des Mantelkauftatbestandes vorliegen.
Gegen das Erkenntnis des BFG wurde bereits die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dessen Entscheidung bleibt daher abzuwarten.
Mag. Stefan Kulischek (stefan.kulischek@at.ey.com), Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Partner bei Ernst & Young Österreich. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der laufenden steuerlichen Beratung von vermögenden Privatkunden. Er ist Mitglied in Stiftungsvorständen sowie Autor von Fachartikeln und Buchbeiträgen zu den Themen Privatstiftungen und Vermögensveranlagung.
Mag. Christina Zwettler-Hirsch (christina.zwettler-hirsch@at.ey.com) ist Steuerberaterin bei Ernst & Young in Wien und im Bereich Business Tax Advisory tätig. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der laufenden Beratung nationaler Unternehmen sowie vermögender Privatpersonen. Zuvor war sie ua Universitätsassistentin und Projektmitarbeiterin am Institut für Finanzrecht der Universität Wien.