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Steuer- und Zivilrecht

Haftung des Stiftungsvorstand nicht zwingend nach Köpfen

By 25. Oktober 2022No Comments

Einleitung

Der Stiftungsvorstand ist neben dem Stiftungsprüfer eines der beiden gesetzlich verankerten Organe der Privatstiftung. Ihm obliegt insbesondere die Geschäftsführung und Vertretung der Privatstiftung, die Pflicht, für die Erfüllung des Stiftungszwecks Sorge zu tragen, sowie die Vermögensverwaltung. Die Übernahme einer Vorstandsfunktion wird hinsichtlich der haftungsrechtlichen Risiken oft unterschätzt. Dass diese Risiken bestehen, zeigt auch die Zunahme der Entscheidungen des OGH, die sich mit der Haftung des Stiftungsvorstandes beschäftigen.

Haftung des Stiftungsvorstandes

1. Grundlagen

Die (rudimentären) haftungsrechtlichen Regelungen im Privatstiftungsgesetz (PSG) besagen, dass der Stiftungsvorstand bei der Verwaltung, Vertretung und Erfüllung des Stiftungszwecks, die Bestimmungen der Stiftungserklärung einhalten (§ 17 Abs 1 PSG), er seine Aufgaben sparsam und mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters erfüllen muss (§ 17 Abs 2 PSG), und dass jedes Mitglied des Stiftungsorgans der Privatstiftung für den aus seiner schuldhaften Pflichtverletzung entstandenen Schaden haftet (§ 29 PSG).

Die Haftung des Stiftungsvorstandes ist analog den haftungsrechtlichen Bestimmungen für Kapitalgesellschaften – und damit äußerst streng – geregelt. Dieses Bewusstsein fehlt bei vielen Stiftungsvorständen. Oft gibt es ein enges Verhältnis zwischen der Generation der Erststifter und den von diesen ausgewählten Mitgliedern des Stiftungsvorstandes. Dabei sollte die Übernahme eines Stiftungsvorstandsmandates gut überlegt sein. Was oft als „Freundschaftsdienst“ beginnt, kann erhebliche haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Sorgfaltsanforderungen bestimmen sich nämlich nach der vom Vorstandsmitglied übernommenen Aufgabe und nicht nach seinen individuellen Fähigkeiten. Ein Mitglied des Stiftungsvorstands haftet daher selbst dann oder viel mehr gerade dann, wenn er sich bei der Übernahme der Vorstandsfunktion „übernommen“ hat: Unwissenheit schützt daher nicht vor der Haftung.

Auch wenn eine Ressortverteilung für den Stiftungsvorstand erlassen wurde, trifft die Haftung trotzdem grundsätzlich alle Mitglieder des Stiftungsvorstand, also auch jene, die für das konkrete Ressort nicht zuständig waren. Dies ist dem Kontrollkonzept des PSG geschuldet. Denn die einzelnen Mitglieder des Stiftungsvorstandes haben über ihre Geschäftsführungstätigkeit hinaus wechselseitige Überwachungs- und Kontrollaufgaben.

Die solidarische Haftung aller Mitglieder des Stiftungsvorstandes richtet sich nach den allgemeinen bürgerlich rechtlichen Grundsätzen und ist somit dann anzunehmen, wenn eine vorsätzliche Schädigung vorliegt oder sich die Anteile des Einzelnen an dem Schaden nicht mehr bestimmen lassen. In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der OGH mit der Frage zu beschäftigen, welche Vorstandsmitglieder letztlich im Innenverhältnis zu welchen Anteilen haften.

2. OGH-Entscheidung (9 Ob 8/21y)

Ein Mitglied des Stiftungsvorstandes kümmerte sich als Rechtsanwalt um alle rechtlichen und wirtschaftlichen Dinge der Privatstiftung. Aufgrund eines zugedachten Vermächtnisses war er der Ansicht, dass die Privatstiftung Erbin der Verstorbenen sei. Dies kommunizierte er den anderen (rechtsunkundigen) Vorstandsmitgliedern – er versicherte ihnen, dass die Privatstiftung in dem anstehenden Erbrechtsprozess nicht verlieren könne, worauf diese vertrauten. Weiters klärte er sie nicht über die (Kosten-)Risiken eines solchen Prozesses auf.

Entgegen dieser Aussage verlor die Privatstiftung den Prozess und wurde zum Kostenersatz verpflichtet. In einem weiteren Verfahren wurde das Vorstandsmitglied, als Gegenüber der Erbin, zur Zahlung für die Verbindlichkeit der Privatstiftung verurteilt. Daraufhin machte er gegen die anderen Vorstandsmitglieder einen Regressanspruch geltend.

Der OGH machte in der vorliegenden Entscheidung deutlich, dass sich der Umfang des Rückgriffsrechts im Zusammenhang mit der Haftung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands primär nach dem besonderen Verhältnis unter den Solidarschuldnern richtet und dieses besondere Verhältnis auch auf sonstigen Umständen beruhen kann, die im konkreten Fall ein Abweichen vom Rückgriff nach Kopfteilen rechtfertigen.

Der Regressanspruch des Klägers wurde im konkreten Fall zurückgewiesen: Es spielten bei der Gewichtung der Zurechnungsgründe die Vorsitzführung des Rechtsanwalts, der als langjähriger Vertrauensanwalt alle rechtlichen und wirtschaftlichen Dinge der Privatstiftung regeln sollte, sowie die mangelnde Kommunikation und Aufklärung gegenüber den anderen beiden rechts- und sachunkundigen Stiftungsvorstandsmitgliedern eine ausschlaggebende Rolle. Demnach hatte der Kläger eine Sorgfaltswidrigkeit begangen, während bei den anderen Vorstandsmitgliedern nur geringe Zurechnungsgründe zu erkennen waren.

3. Fazit

Die vorliegende Entscheidung zeigt, wie wichtig die Kommunikation zwischen den Vorstandsmitgliedern ist. Hätte das betroffene Mitglied seine Vorstandskollegen umfassend und über die potentiellen Risiken des Prozesses aufgeklärt, wäre ihm die (alleinige) Haftung wohl erspart geblieben.

Dr. Martin Melzer, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner der Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Privatstiftungs- und gemeinnütziges Stiftungsrecht, sowie im Erb-, Familien und Gesellschaftsrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikation und Vortragender ua im Masterstudiengang „Familienunternehmen und Vermögensnachfolge“ der Universität Wien.