Ausgangslage und Sachverhalt
Ein Stifter einer österreichischen Privatstiftung verfügt zum Zeitpunkt der Gründung der Stiftung im Jahr 2003, dass die Veranlagung des Stiftungsvermögens in „risikolosen und mündelsicheren“ Papieren zu erfolgen hat. Als Stiftungszweck sieht er vor, dass Ausschüttungen an die Begünstigten aus den Erträgen der Veranlagungen erfolgen sollen. Gleichzeitigt muss die Substanz des Stiftungsvermögens nach Inflation erhalten werden.
Nach Ableben des Stifters sah sich der Vorstand aufgrund der stetig fallenden Zinsen immer mehr mit der Problematik konfrontiert, dass ein Erreichen des Stiftungszwecks (Ausschüttungen von realen Gewinnen) nicht mehr möglich war. Da ein Änderungsrecht nicht vorgesehen war, musste sich der Vorstand an den OGH wenden, um eine Änderung der Stiftungsurkunde zu erreichen.
Die Vorgaben realer Substanzerhalt und Ausschüttungen lediglich aus Erträgen finden sich in vielen Stiftungsurkunden. Umso problematisch wird es dann, wenn die Urkunde auch ein Risikobudget bzw. eine Strategie vorgibt, die das Erreichen dieser beiden Vorgaben unmöglich macht.
Mündelsichere Anlagen als „zinsloses Risiko“?
Als „mündelsichere“ Vermögensanlagen, gelten u. A. Sparbücher, Pfandbriefe oder öst. Staatsanleihen. Die expansive Geldpolitik der EZB hat die Renditen für solche Anlagen in den letzten Jahren bis in den negativen Bereich gedrückt. War die durchschnittliche Emissionsrendite öst. Bundesanleihen in 2009 noch bei 3.70% p.a. so ist diese im letzten Jahr auf -0.13% p.a. gesunken und dies bei einer Laufzeit von 13.6 Jahren. Mit „sicheren Anlagen“ war also nur bei einer sehr langer Kapitalbindung eine positive Verzinsung zu erzielen. Stetig fallende Zinsen haben dafür in den letzten Jahren zumindest für Kursgewinne gesorgt.
Dass langlaufende, festverzinsliche Anlagen jedoch mit einem entsprechenden Zinsrisiko verbunden sind, wurde vielen im 1. Quartal 2022 bewusst, als steigende Renditen zu erheblichen Verlusten geführt haben. Die 100-jährige Anleihe der Republik Österreich die im Juni 2020 mit einem Kupon von 0.85% p.a. emittiert wurden, notiert aktuell bei rd. der Hälfte ihres Emissionspreises.
Rechtsansicht des OGH
Um eine Änderung der Stiftungsurkunde zu erreichen, müssen sich gemäß der Rechtsansicht des OGH die Verhältnisse grundlegend geändert haben. Mit einer Anpassung soll dem Stifterwillen entsprochen werden (6 Ob 7/04d; vgl auch 6 Ob 187/03v). Ob die Voraussetzungen für eine Anpassung gemäß § 33 Abs 2 PSG vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen.
Der OGH argumentierte wie folgt: Auch wenn zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung im Jahr 2003 die Finanzkrise und die darauf folgende Zinspolitik nicht vorauszusehen war, war doch auch damals eine Änderung der Wirtschaftslage für niemanden, also auch nicht für den Stifter, auszuschließen. Der Stifter hat dennoch zum einen die Veranlagung des Stiftungsvermögens in risikolosen und mündelsicheren Papieren, zum anderen aber eine Ausschüttung an die Begünstigten nur im Rahmen realer Gewinne angeordnet. Dass damit aufgrund des aktuellen Zinsumfelds Ausschüttungen nicht möglich sind, bedeutet keine grundlegende (und vor allem nachhaltige) Änderung der Verhältnisse. Der OGH lehnte eine Änderung der Urkunde mit dieser Begründung ab.
Lösungsmöglichkeiten für Stiftungen
Viele österreichische Privatstiftungen stehen vor der Problematik der eins definierten Vorgaben einer konservativen Veranlagung und einem Stiftungszweck, der realen Vermögenserhalt als Bedingung für Ausschüttungen vorsieht. Dieser Zweck ist mit konservativen, überwiegend festverzinslichen Veranlagungen seit Jahren nicht zu erreichen.
Um diese Problematik zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei bestehenden Urkunden zu prüfen, ob die Vorgaben ein Erreichen des Stiftungszweckes möglich machen. So dies nicht realistisch ist, sollte die Urkunde saniert werden. Beispielsweise könnte in der Urkunde auf Anlagerichtlinien verwiesen werden. Diese sollten zwar einerseits einen Rahmen vorgeben, aber andererseits auch nicht zu sehr einschränken. Wird die Verwaltung an Banken delegiert, stellen die Anlagerichtlinien den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung dar, der auch vertraglich zu vereinbaren ist. Anlagerichtlinien sollen einen Ausgleich zwischen den Möglichkeiten des Kapitalmarktes und den Bedürfnissen und Vorgaben der Begünstigten herstellen.
Das hier geschilderte Problem der Versteinerung einer Stiftung kann nach Ableben des Stifters nur sehr schwer gelöst werden. Die Anpassung einer Urkunde nach Ableben des Stifters soll dessen Willen gerecht werden und ist im Einzelfall zu prüfen. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, in einem Sideletter die Beweggründe des Stifters klar darzulegen, um so auch ex-post eine Anpassung der Urkunde zu ermöglichen, die auch der Genehmigung durch ein Gericht standhält.
Fazit
Die Rechtsprechung zeigt, dass eine Änderung einer Urkunde nach dem Ableben des Stifters nur unter besonderen Umständen möglich ist. Aus diesem Grunde ist noch zu Lebzeiten des Stifters, eine Überprüfung der Urkunde und die Erstellung von Anlagerichtlinien empfehlenswert.
Mag. Stefan Kargl, Geschäftsführer der LMM Investment Controlling AG Niederlassung Österreich. Als unabhängiger und neutraler Partner unterstützt die LMM Investment Controlling AG private und institutionelle Anleger bei der Wahrung ihrer Interessen und steht ihnen mit einer objektiven Zweitmeinung zur Seite.
Mag. Manfred Wieland, ESIA (manfred.wieland@stiftung-nextgen.at): Gründer, Geschäftsführer der Plattform stiftung-nextgen und Director der LMM Investment Controlling AG. Als Stiftungsexperte in unterschiedlichen Funktionen beratend für Stiftungen tätig.