Die Beweggründe für die Errichtungen liechtensteinischer Stiftungen sind vielfältig. Neben der in einem früheren Beitrag (https://stiftung-nextgen.at/2022/01/06/die-liechtensteinische-holding-fuer-oesterreichische-familienunternehmen/) erwähnten Holdingfunktion, dienen Stiftungen oftmals auch der strukturierten Nachfolgeplanung, die großteils bereits die Erbfolge vorwegnehmen möchte.
Der Stifter ist dabei regelmäßig von der Sorge getragen, dass der Zusammenhalt des Familienvermögens durch die gesetzliche Erbfolge gefährdet sein könnte und dieses unter mehreren Erben aufgeteilt werden muss und so eine Fragmentierung eintritt. Eine solche Fragmentierung des Familienvermögens verunmöglicht die geordnete Weitergabe an nachfolgende Generationen. Neben dem Zusammenhalt des Familienvermögens kann mit einer Stiftungserrichtung zusätzlich das Bedürfnis verbunden sein, die Nachfolgegeneration vom unbedachten Verbrauch des Vermögens abzuhalten.
Im Erbfall des Stifters kommt es allerdings immer wieder zu Unstimmigkeiten, weil die Erbengeneration die Verfügungen des Stifters nicht akzeptieren will. Die Noterben wollen dann üblicherweise die Stiftung oder aber die Vermögensverfügung(en) zugunsten der liechtensteinischen Stiftung anfechten, um so an das erblasserische Vermögen zu gelangen. Die Errichtung einer Stiftung ist aber in den allermeisten Fällen bestandfest. Das Gesetz stellt zwar in Art 38 Abs 2 Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) klar, dass der Stifter und die Erben die Stiftung wegen Willensmängeln und sonstigen Mängeln des Vertragsabschlusses anfechten können. Aufgrund der restriktiven Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Anfechtung von Stiftungen wegen Willensmängeln, verbleibt aber oftmals nur mehr die Anfechtung der Vermögensverfügung in die Stiftung selbst.
Art 38 Abs 1 PGR bestimmt in diesem Zusammenhang, dass unentgeltliche Vermögensverfügungen an eine Stiftung gleich einer Schenkung angefochten werden können. Nach § 785 Abs 3 ABGB sind wiederum Schenkungen des Erblassers, die der Erblasser zwei Jahre vor seinem Tod an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemacht hat, der Verlassenschaft anzurechnen.
Die Faustregel lautet daher, dass Vermögenszuwendungen an eine liechtensteinische Stiftung vom pflichtteilsberechtigten Erben (= Noterben) gleich Schenkungen angefochten werden können, sofern diese zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers (des Stifters) erfolgten. Nach Ablauf dieser zweijährigen Frist können pflichtteilsberechtige Erben somit nicht mehr auf das Vermögen der liechtensteinischen Stiftung zugreifen und entfaltet diese volle Abschirmwirkung.
Während in Liechtenstein somit eine zweijährige Anfechtungsfrist für pflichtteilsmindernde Schenkungen durch den Erblasser vorgesehen ist, ist dies aber in anderen Jurisdiktionen nicht zwangsläufig der Fall. So räumt bspw das italienische Recht den Noterben eine zehnjährige Frist zur Anfechtung ein. Hatte somit der Erblasser seinen Wohnsitz in Italien oder hat er seine Rechtsnachfolge italienischem Recht unterstellt, käme auch in Bezug auf eine liechtensteinische Stiftung die zehnjährigen Anfechtungsfrist nach italienischem Recht zur Anwendung. Das liechtensteinische Recht reagiert in Art 29 Abs 5 IPRG auf diese unbefriedigende Situation und knüpft die Erhebung des Anfechtungsrechts bzw des Pflichtteilsergänzungsanspruchs an die Zulässigkeit nach liechtensteinischem Recht. Sind somit zwei Jahre nach der Stiftungserrichtung bzw der Vermögenswidmung an die Stiftung vergangen, kann ein Noterbe, dem grundsätzlich eine längere Anfechtungsfrist zusteht, in Liechtenstein nicht mehr reüssieren.
In der Lehre und Rechtsprechung hat sich im Zusammenhang mit dem Beginn des Laufs der zweijährigen Anfechtungsfrist der Begriff „Vermögensopfer“ etabliert. Tatsächlich beginnt die Frist zur Anfechtung von Vermögenszuwendungen an eine liechtensteinische Stiftung (diese können bei Gründung, aber auch danach, erfolgen) erst dann zu laufen, wenn der Stifter das Vermögensopfer erbracht hat und somit wirtschaftlicher und rechtlicher Eigentümer ident sind,
Für den Beginn des Laufs der Anfechtungsfrist der pflichtteilsberechtigten Erben kommt es somit darauf an, welche Einflussrechte sich der Stifter im Zusammenhang mit der Stiftung vorbehalten hat. Sind die Einflussrechte des Stifters nämlich zu weitrechend, dann geht die Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass kein Vermögensopfer stattgefunden und sich der Stifter nicht seines Vermögens entledigt hat. Erbrechtlich wäre dieses daher nach wie vor in der Verlassenschaft des erblasserischen Stifters zu berücksichtigen.
Exemplarisch können folgende Fallbeispiele genannt werden:
- Ein unbedingtes Widerrufsrecht des Stifters kann schädlich sein und verhindert das Vermögensopfer. Ist die Ausübung des Widerrufsrechts allerdings an die Zustimmung einer anderen Stelle, wie bspw eines Protektors oder Beirats, gebunden, dann kann dadurch das Vermögensopfer bewirkt und die zweijährige Anfechtungsfrist der pflichtteilsberechtigten Erben zu laufen beginnen.
- Dieselben Überlegungen beanspruchen für ein widerrufsgleiches Änderungsrecht Geltung, wenn dieses dem Stifter ermöglicht die Begünstigungsregelungen vorbehaltlos zu ändern und so eine Totalausschüttung des Stiftungsvermögens an sich selbst zu bewirken. Auch hier könnte durch die Zustimmungspflicht eines Protektors bzw. eines Beirates Abhilfe geschaffen werden.
- Die Einrichtung eines Protektors bzw. eines Beirates mit Zustimmungspflichten hinsichtlich der Ausübung eines Widerrufs- bzw widerrufsgleichen Änderungsrechts ist somit ein probates Mittel, um das Vermögensopfer zu bewirken und die zweijährige Frist zur Anfechtung von Vermögenswidmungen an die Stiftung durch pflichtteilsberechtige Erben in Gang zu setzen. Vorsicht ist jedoch bei der Besetzung des Protektorats und des Beirates geboten. Hier sollte keinesfalls der Stifter oder ihm weisungsgebundene Personen Einsitz nehmen, weil dies erneut für das erforderliche Vermögensopfer schädlich wäre (siehe sogleich unten).
- Auch bei der Besetzung des Stiftungsrats sollte Vorsicht geboten sein. So ist es in Liechtenstein zwar möglich, dass auch der Stifter als einer der (mindestens zwei) Stiftungsräte fungiert. Ist der Stifter jedoch gleichzeitig Begünstigter der Stiftung und kann er so über die Ausschüttungen aus dem Stiftungsvermögen bestimmen, empfiehlt es sich von einer derartigen Besetzung Abstand zu nehmen, um so das Vermögensopfer nicht zu gefährden.
Um feststellen zu können wann das Vermögensopfer bei der Stiftungserrichtung bzw. der nachträglichen Vermögenswidmung an eine liechtensteinische Stiftung erfolgt ist, hat sich neben der Analyse der einschlägigen Rechtsprechung auch ein Blick in das Abgeltungssteuerabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein bewährt. Obwohl es sich um ein steuerrechtliches Abkommen handelt, kann Art 2 Abs 2 lit b des Abkommens durchaus als Orientierungshilfe dazu dienen, um zu beurteilen, wann sich der Stifter ausreichend des Vermögens begeben und so das Vermögensopfer bewirkt hat. Art 2 Abs 2 lit b normiert nämlich wann eine liechtensteinische Vermögensstruktur (somit auch eine Stiftung) als intransparent (= abschirmend) nach steuerlichem Verständnis gilt. Die Kriterien lauten wie folgt:
- Weder der Stifter, noch ein Begünstigter oder diesen nahestehende Personen sind Mitglieder des Stiftungsrats oder eines Gremiums, das dem Stiftungsrat Weisungen erteilen kann.
- Es existiert kein Abberufungsrecht des Stifters, eines Begünstigten bzw. einer diesen nahestehenden Personen, das nicht an einen wichtigen Grund gebunden ist.
- Es besteht kein ausdrücklicher oder konkludenter Mandatsvertrag.
Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass jede Stiftungserrichtung regelmäßig in dem Spannungsverhältnis steht, dass sich der Stifter einerseits seines Vermögens begibt, aber andererseits nach wie vor das Bedürfnis hat ein gewisses Maß an Kontrolle beizubehalten. Ist der Hauptzweck der Stiftungserrichtung allerdings die vorweggenommene Erbfolge und soll die Stiftung möglichst rasch Abschirmwirkung gegenüber pflichtteilsberechtigten Erben entfalten, empfiehlt es sich die Stiftung gemeinsam mit einem einschlägig ausgewiesenen Experten zu konzipieren, um so den vorangehenden Erwägungen zum Vermögensopfer gerecht zu werden.
Dr. Michael Nueber, LL.M. Partner und Rechtsanwalt bei Gasser Partner Rechtsanwälte sowie Öffentlicher Notar im Fürstentum Liechtenstein