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Steuer- und Zivilrecht

Österreichische Privatstiftung – Vermögensopfer und Pflichtteil

By 12. Juni 2023No Comments

Worum geht’s (anhand eines Beispiels):

Der Stifter und Erblasser hat eine Ehefrau und zwei Kinder. Daneben hat er eine Freundin, von der die Familie nichts weiß. Halten Sie es für möglich, dass der Stifter und Erblasser erfolgreich und nicht anfechtbar in “seiner“ Stiftung regeln kann, dass mit seinem Tod im Ergebnis die Freundin alles und die Ehefrau und die beiden Kinder nichts bekommen? Die Antwort ist – leider – ja. Damit kann – nur beschränkt durch die Grenzen des Rechtsmissbrauchs – das an sich zwingend anwendbare Pflichtteilsrecht in Österreich ausgehebelt werden. Im vorliegenden Beispielsfall könnte die Freundin auch durch jede andere nicht pflichtteilsberechtigte Person ersetzt werden (z.B. die Ehefrau des Lieblingssohns oder der Ehemann der Lieblingstochter).

Rechtliche Grundlagen:

Die Privatstiftung sowie Vermögenswidmungen an diese genießen grundsätzlich keine erbrechtlichen (insbesondere pflichtteilsrechtlichen) Privilegien. Als Schenkungen unter Lebenden gelten nicht nur Vermögenswidmungen an eine Privatstiftung, sondern auch die Einräumung einer Begünstigtenstellung (§ 781 Abs. 2 Z 4 und Z 5 ABGB). Reicht die Verlassenschaft zur Deckung der Pflichtteilsansprüche nicht aus, kann die Privatstiftung zur Haftung herangezogen werden (§ 789 ABGB). Eine Sonderstellung hat die Privatstiftung aber doch: Die Privatstiftung ist nicht pflichtteilsberechtigt. Vermögenswidmungen an eine Privatstiftung unterliegen dann nicht der pflichtteilsrechtlichen Anrechnungs- und Hinzurechnungspflicht bzw. können – durch entsprechende Gestaltung – dem Zugriff von Pflichtteilsberechtigen entzogen werden, wenn der Stifter (Erblasser) innerhalb von zwei Jahren vor seinem Tod Zuwendungen (Schenkungen) an die Privatstiftung „wirklich“ (endgültig) gemacht hat und nicht pflichtteilsberechtigte Personen (endgültig) als Begünstigte eingesetzt wurden, das heißt, das sogenannte „Vermögensopfer“ in beiden Fällen erbracht wurde.

Gestaltungen:

Der Stifter und Erblasser könnte daher im Beispielsfall – neben dem in der Stiftung bereits vorhandenen Vermögen – all seine noch vorhandenen Vermögenswerte der Privatstiftung schenken (zuwenden) und – durch entsprechende Gestaltung in der Stiftungsurkunde – eine nicht pflichtteilsberechtigte Person (z.B. die Freundin oder den Ehegatten der Lieblingstochter) sowohl als alleinige Begünstigte als auch Letztbegünstigte der Privatstiftung endgültig einsetzen. Er selbst müsste hernach auf seine bisherigen Einflussmöglichkeiten, wie ein umfassendes Abänderungsrecht der Stiftungsurkunde und sein Widerrufsrecht durch entsprechende Abänderung der Stiftungsurkunde verzichten. Sofern er dann noch zumindest zwei Jahre lebt, wäre das notwendige „Vermögensopfer“ erbracht und würden die Ehefrau und die beiden Kinder grundsätzlich leer ausgehen, da er selbst dann vermögenslos ist.

Der geschilderte Fall mag zwar in der Praxis vielleicht nicht so häufig vorkommen, er soll aber aufzeigen, welche Macht ein Stifter und Erblasser im Extremfall hat, wenn er selbst bereit ist, Einfluss in „seiner“ Stiftung abzugeben. Im Rahmen dieser Macht kann er seine Nachfolge entsprechend ordnen. Gewisse Einflussrechte kann er sich in „seiner“ Privatstiftung dennoch weiterhin vorbehalten.

Der Erblasser kann sich daher dafür entscheiden, welche (weiteren) Vermögenswerte (wie z.B. Liegenschaften, Unternehmensbeteiligungen, Aktienveranlagungen, Gold, Geld, etc.) er in eine Privatstiftung einbringt (ihr zuwendet) und welche Vermögenswerte er in seinem unmittelbaren Bereich behalten und wem er eine Begünstigtenstellung einräumen will. Weiters, ob er bereit ist, ein „Vermögensopfer“ zu erbringen.

Hinsichtlich des sonstigen, nicht in der Privatstiftung befindlichen Vermögens (d.h. Vermögen, das er nicht der Privatstiftung zuwenden will) kann der Erblasser – unter Wahrung der Pflichtteilsansprüche – weiterhin frei (z.B. durch Testament, Legat, etc.) verfügen. Hinsichtlich dieses Vermögens könnte er im Beispielsfall für sich selbst und dafür sorgen, dass die Ehefrau und die zwei Kinder doch nicht leer ausgehen.

Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich „Vermögensopfer“?

„Vermögensopfer“ heißt zusammengefasst, dass der Stifter eine Schenkung / eine Zuwendung so tätigt, dass er sie nicht mehr rückgängig machen kann. Auf die Privatstiftung übertragen heißt dies, dass er bestehende Einflussmöglichkeiten (wie z.B. sein Abänderungsrecht zur Änderung der Stiftungsurkunde oder sein Widerrufsrecht) aufgeben muss. Es wird letztendlich von der Rechtsprechung zu entscheiden sein, wann in anderen Fällen das „Vermögensopfer“ als erbracht angesehen werden kann und wann nicht. In einer neueren Entscheidung hat der OGH ausgesprochen, dass die Zurückbehaltung eines Fruchtgenussrechtes unschädlich ist. In der Literatur wird beispielsweise vertreten, dass wenn der Stifter sein umfassendes Abänderungsrecht und das Widerrufsrecht nicht alleine, sondern nur zusammen mit einem weiteren Stifter oder nur zusammen mit einem nicht von ihm beherrschten Beirat ausüben kann, das „Vermögensopfer“ als erbracht gilt. Gewisse Funktionen / Einflussmöglichkeiten, wie z.B. Mitgliedschaft im vom Stifter nicht beherrschten Vorstand oder Beirat, bestimmte Ernennungs- und Zustimmungsrechte werden als unschädlich eingestuft.

Rechtsmissbrauch?

Der OGH lässt bisher grundsätzlich den Beweis eines Rechtsmissbrauchs nicht zu. Die vom Gesetzgeber durch die zwei Jahresfrist zum Ausdruck gebrachte Wertung in § 782 ABGB sei abschließend. Soweit ersichtlich hat der OGH (6 Ob 290/02v) lediglich in einem Sonderfall (Kollusives Zusammenwirken von Stifter und Pflichtteilsberechtigten) von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht. In der Sache ging es um eine Schenkung eines Forstguts an einen Pflichtteilsberechtigten, welche durch Aufhebungsvertrag nachträglich rückgängig gemacht wurde. In weiterer Folge hat der Geschenkgeber mehr als zwei Jahre vor seinem Tod das Forstgut in eine neu gegründete (liechtensteinische) Familienstiftung eingebracht, in welcher der Pflichtteilsberechtigte als Präsident zur uneingeschränkten Geschäftsführung und Vertretung berechtigt war. Maßgeblich dafür, dass der OGH damals die Beweisführung in Richtung Rechtsmissbrauch zugelassen habe, sei das behauptete Zusammenwirken in Schädigungsabsicht zwischen dem Geschenkgeber und dem Pflichtteilsberechtigten gewesen, sodass für die Zulässigkeit der Schenkungsanrechnung auf die Zweijahresfrist nicht Bedacht genommen werden musste. Anhand des Eingangs geschilderten Beispielsfalls könnte es daher allenfalls im Streitfall so ausgehen, dass die Berufung auf die befristete Schenkungshinzurechnung als rechtsmissbräuchlich eingestuft wird, wenn – bei Vorhandensein von mindestens zwei pflichtteilsberechtigten Personen – die Schenkung an eine Person erfolgt ist, die mit einem Pflichtteilsberechtigten des Geschenkgebers in einem Naheverhältnis steht (z.B. der Ehegatte der Lieblingstochter) und der Geschenkgeber mit dem Beschenkten und mit dem ihm nahestehenden Pflichtteilsberechtigen kollusiv – aber nur dann! – zusammenwirkte. Der Einwand eines Rechtsmissbrauchs wird allerdings eher scheitern, wenn der Stifter und Erblasser – wie im Beispielsfall – seine Freundin bereits zwei Jahre vor seinem Tod entsprechend bedenkt. Ähnliches wird gelten, wenn der Stifter und Erblasser beispielsweise vor Heirat / Verpartnerung das „Vermögensopfer“ erbringt und die zukünftige Ehefrau / den zukünftigen Partner entsprechend (siehe oben) „beschenkt“, zwei Jahre wartet und erst dann heiratet oder die Partnerschaft begründet. Wenn die Beschenkten aber nichts von ihrem Glück wissen bzw. Pflichtteilsberechtigte nicht eingebunden wurden, wird der Einwand des Rechtsmissbrauchs wohl von vorne herein verwehrt sein.

Conclusio:

Einem Stifter/einer Stifterin einer Privatstiftung stehen bedeutende Gestaltungsmöglichkeiten offen, die Nachfolge entsprechend zu ordnen und damit langwierige und teure Familienstreitigkeiten zu vermeiden. Die Gestaltung muss sehr sorgfältig und überlegt sein, wenn Stifterin/innen zur Erreichung ihrer Ziele ein „Vermögensopfer“ erbringen.

Dr. Sergej Raits, Rechtsanwalt und Partner der Raits Bleiziffer Hawelka Piralli Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, ist spezialisert auf Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M&A, Stiftungsrecht, Bankrecht, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Vertriebsrecht und Vertragsrecht.

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