Manfred Wieland: Der Standort Liechtenstein ist von großem Interesse für viele österreichische Stifterfamilien. Was sind heute die maßgeblichen Motive, die Familien nach Liechtenstein bringen?
Angelika Moosleithner: Der im Herzen von Europa gelegene Kleinstaat ist ein hochmoderner Finanzdienstleistungsplatz, der sich insbesondere durch große politische und wirtschaftliche Stabilität, ein effizientes Bankensystem, eine moderate Steuergesetzgebung sowie durch unternehmerfreundliche Gesetze auszeichnet. Das Land ist schuldenfrei und erfreut sich derzeit eines AAA-Ratings von S&P. Außerdem bietet der Finanzplatz Liechtenstein eine jahrelange, professionelle Expertise in der Strukturierung von Vermögenswerten.
Gerade für österreichische Kunden ist natürlich auch die räumliche Nähe Liechtensteins ein gewichtiger Pluspunkt. Von Vorarlberg erreicht man Liechtenstein in wenigen Minuten, und Wien ist mit dem Flughafen Altenrhein ideal angebunden. Hinzu kommen die sprachliche Verbundenheit und eine über Jahrhunderte gewachsene gute Nachbarschaft, die großes Vertrauen generiert.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede zur österreichischen Stiftungslandschaft?
- Einfache, fomfreie und schnelle Errichtung
- Rechtsicherheit durch fortwährenden und stabilen Rechtsbestand, gefestigte Rechtsprechung und langjährige Praxis
- Gestaltungsspielraum hinsichtlich bestmöglicher Asset Protection
- In Liechtenstein ist eine flexiblere Ausgestaltung der Stiftung möglich:
- Stifter können sich Änderungs- und Widerrufsrechte vorbehalten. Die steuerrechtlichen Auswirkungen solcher Rechte müssen dabei natürlich bedacht werden.
- Die Bestellung einer Revisionsstelle ist bei privatnützigen Stiftungen grundsätzlich fakultativ.
- Die Statuten können zusätzliche Organe wie beispielsweise Beiräte, Beistände, Protektoren, Kuratoren oder Kollatoren, bei weitestgehend freier Festlegung ihrer Pflichten und Kompetenzen, regeln.
- Eignung der Stiftung als mittelbare Unternehmensträgerin mit keinerlei Schranken, dh der Stiftung ist anders als nach § 1 Abs 2öPSG nicht verwehrt, die Geschäftsführung in einer Verbandsperson oder in einer personenrechtlichen Gemeinschaft zu übernehmen
- Privatnützige Stiftungen werden üblicherweise nur beim Handelsregister ‹hinterlegt› nicht aber eingetragen. Registerauszüge sind für Dritte nur bei eingetragenen oder gemeinnützigen Stiftungen erhältlich. Die Beistatuten mit den Begünstigungsregeln müssen bei der Eintragung dem Register nicht vorgelegt werden.
- Es gibt keine laufende KeSt bei intransparenter Behandlung.
- Es bestehen Wahlmöglichkeiten bei der Art der Besteuerung (PVS/ordentliche Besteuerung) samt Zugang zu einer Vielzahl an DBA’s.
Worin sehen Sie im Moment die wichtigsten Herausforderungen für das liechtensteinische Treuhandwesen?
Eine der größten Herausforderungen aus Sicht der Treuhandkammer ist der Umgang mit der Regulierungsflut. Als dienstbeflissenes EWR-Mitglied werden die europäischen Regulierungsvorgaben lückenlos umgesetzt. Das Regulierungsgeflecht wird aber immer dichter und es wird immer weniger Rücksicht auf Größenverträglichkeit genommen. Auch im Hinblick auf die Grundrechtskonformität einzelner Regelungen stellen sich dabei durchaus Fragen. Immer höherer Aufwand verbunden mit entsprechend höheren Kosten ohne erkennbaren Mehrwert für den Kunden ist vor allem deshalb ein großes Problem, weil wir im internationalen Wettbewerb stehen und sich für Staaten außerhalb der EU entsprechende Standortvorteile ergeben.
Eine weitere stete Herausforderung ist die Sicherstellung der fortlaufenden Weiterbildung unserer Mitglieder. Hier ist es mittlerweile anspruchsvoll geworden, mit dem Tempo der Regulierung Schritt zu halten. Neben eigenen Schulungen, organisationsinternen Schulungen und Schulungen einzelner Anbieter hat hier das Schulungsangebot und die Zusammenarbeit mit der Universität Liechtenstein einen grossen Stellenwert. Die Beratung im steuerlichen Bereich bis hin zum Aufsetzen und der Verwaltung steuerlich anerkannter Strukturen ist eine weitere Kerntätigkeit der Treuhänder. In diesem Bereich ist es in letzter Zeit wesentlich herausfordernder geworden, alle Ansprüche zu erfüllen.
Ebenfalls eine der größeren Herausforderungen ist es, kommunikativ zu vermitteln und europaweit die Anerkennung dafür zu erhalten, dass Liechtenstein als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraum ein wirtschaftlich gleichwertiger Partner ist, wie alle anderen EU-Staaten auch.
Welche Auswirkungen sehen Sie aufgrund der COVID-19-Situation konkret auf Stiftungen in Ihrem Land?
Direkte Auswirkungen sind keine zu erkennen. Aber das Bedürfnis, Vermögen in unsicheren Zeiten abzusichern, steigt. So führen z.B. politische Unruhen in verschiedenen Ländern der Welt zu einer gesteigerten Nachfrage nach Vermögensschutz, was sich grundsätzlich auch in einer höheren Nachfrage nach Strukturen wie die liechtensteinische Familienstiftung wiederspiegelt.
Was ist die Aufgabe der Liechtensteinischen Treuhandkammer?
Der Treuhandkammer obliegen gemäss Gesetz die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Rechte wie auch die Überwachung der Pflichten des Treuhänderstandes. Gerade in Zeiten ständig zunehmender Regulierung kommt der Kammer eine wichtige Funktion bei der Interessenswahrung gegenüber den Behörden und dem Gesetzgeber zu. In Liechtenstein mit seinen kurzen Wegen kann über viele Details direkt mit den Entscheidern gesprochen werden, was der Kammer und anderen Berufsverbänden ermöglicht, ausreichend gehört zu werden, aber auch entsprechende Verantwortung gegenüber den Landesinteressen bedingt. Schulung und Weiterbildung sowie Unterstützung der Mitglieder bei der Umsetzung von neuer Regulierung gehören ebenfalls zu den wichtigen Aufgaben in der heutigen Zeit.
Können Stifter oder Begünstigte einer liechtensteinischen Stiftung an die Treuhandkammer herantreten und diese ersuchen, in bestimmten Zweifelsfragen mit dem liechtensteinischen Treuhänder Kontakt aufzunehmen, um von diesem eine Stellungnahme oder Antworten zu bekommen?
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die sehr umfassenden Auskunfts- und Informationsrechte von Beteiligten im Gesellschaftsrecht direkt geregelt sind. Diese Rechte sind auch vor dem liechtensteinischen Gericht durchsetzbar. Manche Konflikte sind aber auch grundsätzlicher Natur: Ähnlich wie bei einem Testament kann es bei Nachfolgeinstrumenten wie der Stiftung zu Missverständnissen zwischen den Beteiligten kommen, die schnell zu verhärteten Fronten führen. So wie Erben manchmal vom Erblasser oder dem Testamentsvollstrecker enttäuscht sind, haben auch Begünstigte oft andere Erwartungen was Umfang oder Verfügbarkeit ihrer Ansprüche betrifft. Der Stiftungsrat ist dabei strikt dem Willen des Stifters verpflichtet, so wie ein Testamentsvollstrecker auch keinen Spielraum bei der Auslegung des Testaments hat. Daraus entsteht dann manchmal der Wunsch, einfach den Stiftungsrat auszutauschen. Um solche Konflikte zu schlichten, hat der Vorstand der Liechtensteinischen Treuhandkammer im Sommer 2018 eine Schlichtungskommission eingesetzt. Die Schlichtungskommission ist aber konkret nur zuständig zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Kammermitgliedern, insbesondere in streitigen Mandatsübertragungsfällen, wobei diese Fälle eben meist auf Konflikten mit Stiftungsbeteiligten beruhen. Das Verfahren ist in den Standesrichtlinien der Treuhänderkammer geregelt. Ziel dieser Regelung ist es, ein einfaches, rasches und kostengünstiges Verfahren zur Streitschlichtung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus besteht auch noch die Möglichkeit, an die Schlichtungsstelle (Ombudsmann) zu gelangen. Sollten Berufspflichtverletzungen vorliegen, kann selbstverständlich auch Anzeige an die Standeskommission erhoben werden.
Kann die liechtensteinische Treuhandkammer einem liechtensteinischen Treuhänder die Tätigkeit im Rahmen eines Stiftungsrates einer liechtensteinischen Stiftung untersagen und wenn ja, aus welchen Gründen?
Wenn Berufsangehörige schuldhaft die Standesregeln verletzen, sind gemäss Art. 37 des Treuhändergesetzes verschiedene Disziplinarstrafen bis hin zur Untersagung der Berufsausübung auf Dauer möglich. Eine Verletzung der Standesregeln liegt vor, wenn Berufsangehörige schuldhaft ihre Berufsplichten verletzen oder ihr berufliches Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigen.
Wo sehen Sie die Liechtensteinische Stiftung in der Zukunft?
Wie bereits erwähnt stellt die Stiftung gerade in unsicheren Zeiten ein gutes und flexibles Instrument für Vermögensschutz und Nachfolgeplanung über Generationen dar. Deshalb bin ich überzeugt, dass die liechtensteinische Stiftung attraktiv bleiben wird. Sie muss heute und noch mehr in Zukunft durch eine gute Steuerberatung und gute Governance-Strukturen begleitet werden, sonst lauern viele Gefahren. Zwar führt diese Einbettung zu einer entsprechend höheren Kostenstruktur, aber nur so kann das Versprechen auf generationenübergreifenden Vermögenserhalt zur Erfüllung der von der Stiftung vorgesehenen Zwecke auch eingelöst werden.
Gibt es noch Themen, die Sie gerne ansprechen und unseren Stifterfamilien mitteilen möchten?
Es ist von Vorteil schon möglichst früh die Weichen für den Vermögenserhalt und Nachfolgeregelungen zu stellen und sich entsprechend beraten zu lassen. Die liechtensteinische Stiftung kann, über Generationen hinweg, in vielen Fällen einen wichtigen Beitrag dazu leisten.