Die gemeinnützige Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Eigenschreibweise ZEIT STIFTUNG BUCERIUS) bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hamburg hat die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Journalismus, „Innovationen“, „gesellschaftlichen Impulsen“, Bildung und Erziehung zum Ziel. Die Stiftung wurde 1971 von Gerd Bucerius (Jurist, Politiker und Verleger) gegründet. Gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Anna Gertrud Bucerius (genannt Ebelin) prägte Bucerius die von ihm mitbegründete Wochenzeitung „Die Zeit“ ebenso wie die Stiftung. Die Zeit Stiftung Bucerius fördert heute über 420 Initiativen in Hamburg, Deutschland und der Welt. Zwei ihrer zentralen Förderprojekte sind die Bucerius Law School als erste private Stiftungshochschule für Rechtswissenschaft und das Bucerius Kunst Forum als internationales Ausstellungshaus in Hamburg.
Zu einem exklusiven Interview über die Idee der Veranlagungen der Stiftung stellte sich Herr Achim Lange, Vorstand der Stiftung für Finanzen und Verwaltung unseren Fragen:
stiftung-nextgen: Sehr geehrter Herr Lange, wir freuen uns sehr, dass Sie uns heute als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Als Vorstand für Finanzen und Verwaltung der „Zeit Stiftung Bucerius“ haben Sie eine wesentliche Stellung in der Stiftung.
Können Sie uns einführend erklären, was Ziel und Zweck der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS ist?
Achim Lange: Ziel der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS ist es Freiheiten zu verteidigen und eine offene, aktive Zivilgesellschaft zu fördern. Was erstmal recht abstrakt klingt, zeigt sich in über 420 Initiativen und Projekten, die wir als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS in Hamburg, Deutschland und weltweit fördern. Das Spektrum geht dabei von frühkindlicher Bildung und Unterstützung von Schüler.innen aus sozialschwachen Familien über Forschungsstipendien und Wissenschaft, KI, Teilhabe- und Demokratiestärkung bis zu Kunst- und Kulturförderung. Ein weiterer Schwerpunkt der Stiftungsarbeit, auch vor dem Hintergrund unseres Gründers Gerd Bucerius, ist seit über 50 Jahren der Einsatz für Pressefreiheit und die Stärkung von unabhängiger Berichterstattung – in Deutschland, aber auch mit besonderem Blick auf Osteuropa.
stiftung-nextgen: Warum hat sich die Stiftung entschlossen, liquide Mittel nach nachhaltigen Kriterien zu veranlagen?
Achim Lange: Weil wir ganzheitlich denken und handeln. Wir übernehmen in unserer täglichen Arbeit, in den Projekten und Förderungen, Verantwortung für Gesellschaft und Demokratie, verteidigen Werte und Überzeugungen. Damit wollen wir Menschen Orientierung geben. Das ist Teil unserer Stiftungs-DNA. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, die Finanzierung dessen nachhaltig und verantwortungsbewusst zu gestalten. Uns war es insbesondere wichtig, keinen Zielkonflikt aufzubauen. Daher habe wir z.B. Ausschlusskriterien definiert. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Mit unserem Journalistenpreis „Free Media Awards“ unterstützen wir Journalist:innen und Institutionen in Osteuropa, die für freie Presse einstehen. Da wollen wir unsererseits natürlich sicherstellen, dass wir Preisträger:innen etwa aus Belarus oder der Ukraine nicht mit Zinserträgen aus staatsnahen russischen Unternehmen finanzieren. Investments in russische staatsnahe Unternehmen oder Staatsanleihen sind für uns im Übrigen gänzlich ausgeschlossen.
stiftung-nextgen: Wie hoch ist das veranlagte Volumen und wird dies zur Gänze nachhaltig bewirtschaftet?
Achim Lange: Unser Gesamtvolumen beläuft sich auf etwas über eine Milliarde Euro. Ich bin der Ansicht, dass es nicht möglich ist, nur Teile nachhaltig zu bewirtschaften, wenn man aus Überzeugung handelt. Wir betrachten daher das Große und Ganze. Nachhaltigkeit ist dabei ein weiter Begriff. Wir berücksichtigen die ESG-Komponenten, also E(nviromental), S(ocial) und G(overnance).
stiftung-nextgen: Nach welchen Kriterien haben Sie ein Regelwerk für Ihre Stiftung definiert, um die Ideen der Stiftung auch in der Veranlagung umzusetzen und betrachten Sie dabei die Tätigkeit der Stiftungsarbeit?
Achim Lange: Dies ist natürlich komplex, aber ja, wir haben ein Regelwerk. Durch unsere Kriterien vermeiden wir z.B. grundsätzlich Investitionen in – nach unseren Grundsätzen – moralisch bedenkliche Staatsanleihen bzw. staatsnahe Unternehmen. So muss bei Staatsanleihen inkl. staatsnaher Unternehmen etwa die Pressefreiheit in den Ländern zu 100 Prozent gewährleistet sein. Hier gibt es keinen Toleranzbereich für uns.
Aus unserer Sicht gehört aber auch das Recht auf Verteidigung zum Schutz der Demokratie.
Bei Immobilieninvestments versuchen wir eine direkte Wirkung zu erzielen, indem wir z.B. in Studentenwohnheime, Kitas oder auch in ein Azubi-Wohnheim investieren oder eine unserer Immobilien der Universität Hamburg für eine symbolische Miete überlassen.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Reduktion CO2-intensiver Unternehmen im Portfolio.
Für den eigenen CO2-Fußabdruck als Institution –, schließlich lässt sich ein gewisser-C02-Ausstoß durch unsere Stiftungstätigkeit nicht ganz vermeiden, – streben wir den Ausgleich durch die Wiedervernässung einer Moorfläche in Norddeutschland an. Denn Torf ist im nassen Zustand ein wahrer CO2-Speicher, bis zu 1.000 Tonnen CO2 jährlich könnten so verringert werden. Man darf daher die Kapitalanlage nicht losgelöst betrachten, sondern muss ganzheitlich und langfristiger denken.
stiftung-nextgen: Wie wird sichergestellt, dass die Veranlagung tatsächlich nach diesen Kriterien umgesetzt wird?
Achim Lange: Unsere externen Manager bekommen klare Vorgaben und unser Regelwerk zur Umsetzung. Wir haben ein einheitliches ESG-Reporting für alle unsere Asset-Manager, das nach unseren individuellen Bedürfnissen aufgebaut ist und Vergleichbarkeit sicherstellt.
stiftung-nextgen: Wie lange sind Sie bereits nachhaltig veranlagt?
Achim Lange: Dies ist ein ständig fortschreitender Prozess und war bis vor ein paar Jahren auch schwer messbar oder kontrollierbar. Daher lässt sich kein exaktes, singuläres Startdatum beziffern oder nennen. Wenn Sie mich nach einem Tipp zum Einstieg fragen: einfach beginnen und dann langsam weiterentwickeln.
stiftung-nextgen: Sie haben nun schon mehrjährige Erfahrung mit nachhaltigen Veranlagungen. Wie begegnen Sie der Diskussion, dass nachhaltige Kriterien zu einer geringeren Rendite führen und schwer umzusetzen sind?
Achim Lange: Geringere Rendite kann ich nicht bestätigen. Meine Empfehlung: bei den Festlegungen und Regelwerken nicht kategorisch alles auszuschließen, sondern dem Ganzen auch mit verantwortungsbewusstem Pragmatismus zu begegnen. Ich bin der Überzeugung, dass zukünftig z.B. CO2-intensive Branchen durch die erhöhten Kosten einen betriebswirtschaftlichen Nachteil haben werden, was sich dann auch negativ auf die zukünftige Performance auswirkt.
stiftung-nextgen: Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Nachhaltigkeit in der Veranlagungsbranche, und welche Trends zeichnen sich für die Zukunft ab?
Achim Lange: Es ist mehr als ein Trend, wir erleben gerade einen echten Regimewechsel. Es wird Vielen bewusst und sie erkennen, ein Weiter so wie früher kann es nicht mehr geben. Wir können unser Ökosystem nicht erhalten, wenn wir einfach weitermachen. Wir haben zudem einen Krieg in Europa. Es liegt auch an uns, etwas zu ändern und dies kann z.B. in der nachhaltigen Kapitalanlage beginnen.
stiftung-nextgen: Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Offenheit und den interessanten Einblick in die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS.
Das Interview führte Manfred Wieland mit Herrn Achim Lange.