Eine Stiftungszusatzurkunde darf dann errichtet werden, wenn sich der/die Stifter die Errichtung einer solchen in der Stiftungsurkunde vorbehalten hat. Die Stiftungszusatzurkunde ist – als Teil der Stiftungserklärung – nicht als Nebenvereinbarung oder side letter zu qualifizieren.
Mit Entstehung der Privatstiftung verliert der Stifter den Zugriff auf das Stiftungsvermögen und es bestehen grundsätzlich auch keine Kontrollrechte mehr, sofern nicht die Stiftungserklärung solche Rechte vorsieht. Die Privatstiftung wird ausschließlich durch den Stiftungsvorstand nach Außen vertreten; dieser verwaltet auch im Innenverhältnis das Vermögen der Privatstiftung. Dabei wird der erste Vorstand durch den Stifter bestellt, nach der Eintragung in das Firmenbuch werden die Vorstandsmitglieder gemäß den Angaben in der Stiftungsurkunde bestellt. Häufig wird ein Stiftungsbeirat als Kontrollorgan etabliert, wobei die Beiräte meistens – zumindest zum Teil – Begünstigte sind und im Beirat die Überwachung der Tätigkeit des Stiftungsvorstandes vornehmen.
- Sind Weisungen an den Stiftungsvorstand zulässig?
Grundsätzlich ist es so, dass der Stiftungsvorstand nicht verpflichtet ist, nach den Wünschen und Vorstellungen des Stifters oder der Begünstigten zu handeln; vielmehr ist der Stiftungsvorstand grundsätzlich absolut weisungsfrei und hat seine Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen.
Aufgrund des Erfordernisses der Weisungsfreiheit, haben die Gerichte über die letzten Jahre bereits einige rechtliche Handhaben, die sich Stifter gegenüber dem Stiftungsvorstand in der Stiftungserklärung vorbehalten haben, für unwirksam erklärt: das betrifft u.a. das Recht zur jederzeitigen Abberufung des Stiftungsvorstandes, das Recht zur Erteilungen von Weisungen an den Stiftungsvorstand oder die Bindung des Stiftungsvorstandes an weitreichende Zustimmungsvorbehalte des Stifters oder eines Beirates. Insbesondere sind auch Regelungen, die den Vorstand einer Privatstiftung zu einem bloßen Vollzugsorgan machen, jedenfalls nichtig.
Vor diesem Hintergrund ist generell die Bindung des Stiftungsvorstandes an Weisungen zB des Stifters oder eines Beirats äußerst kritisch zu sehen. Weisungen müssen sich, sofern sie überhaupt zulässig sind, jedenfalls im Rahmen des Stiftungszwecks bewegen und in der Stiftungsurkunde ist genau zu beschreiben, welche konkreten Bereiche dem Weisungsrecht unterliegen sollen. Wird dadurch zu sehr in die Unabhängigkeit des Vorstandes eingegriffen, droht allerdings die Unwirksamkeit und damit Unbeachtlichkeit der Regelungen. Tendenziell lässt sich in der Rechtsprechung überdies eine mit Fokus auf die Stärkung des Stiftungsvorstandes gerichtete Linie erkennen, weshalb derartige Gestaltungen aus Gründen der mangelnden Rechtssicherheit heutzutage kaum noch gewählt werden bzw. empfehlenswert sind.
- Nebenabreden außerhalb der Stiftungserklärung
Nicht selten werden bzw. wurden in der Praxis Nebenabreden (oftmals bezeichnet als „Verfügungen“, „Erklärungen“, „letter of wishes“, „Geschäftsordnungen“ usw.) außerhalb der Stiftungserklärung getroffen, welche Anordnungen des Stifters/der Stifter an den Stiftungsvorstand (zB Zuwendungen an bestimmte Personen) enthalten. Oftmals sind diese Urkunden auch nachträglich abänderbar, sodass der Einfluss des Stifters/der Stifter (vermeintlich) gewahrt bleibt. Doch die vermeintliche Sicherheit, dadurch als Stifter weiterhin eine bestimmte Form der Kontrolle bzw. Einfluss auf das Stiftungsvermögen ausüben zu können, trügt.
a) aktuelle Rechtsprechung im Zusammenhang mit „Verfügungen“ außerhalb der Stiftungserklärung
In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 190/20k hat sich dieser mit der Rechtswirksamkeit einer Verfügung außerhalb der Stiftungserklärung auseinandergesetzt, die der Stifter als „Testament“ bezeichnete und in welcher er dem Stiftungsvorstand anordnete, seiner Lebensgefährtin nach seinem Tod einen bestimmten (hohen!) monetären Betrag zu bezahlen. Der OGH sprach dahingehend aus, dass die in dieser Verfügung vom Stifter getroffene Anordnung eine Weisung an den Vorstand darstellt, daher aus stiftungsrechtlichen Gründen unwirksam ist und sohin keinen Anspruch der Lebensgefährtin gegenüber der Privatstiftung begründet. Die Verfügung des Stifters war somit rechtlich unwirksam und die Lebensgefährtin erhielt die gewünschte Zahlung der Stiftung nicht.
In einer weiteren Entscheidung des OGH zu 6 Ob 196/22z befasste sich der OGH ebenfalls mit einer Abrede außerhalb der Stiftungserklärung, die zwar nicht Anordnungen an den Stiftungsvorstand beinhaltete, aber unter anderem Nominierungsrechte betreffend die künftige Bestellung der Beiratsmitglieder regelte, welche auch auf alle künftigen Mitglieder des Beirats überbunden werden sollten. Diese Erklärung wurde ebenfalls als unwirksam qualifiziert, da sie die in der Stiftungsurkunde festgelegten Bestellungsrechte nicht ergänzen, sondern ändern wolle, was in dieser Form – also außerhalb der Stiftungserklärung – nicht rechtswirksam erfolgen könne.
b) Geschäftsordnungen
Die Zulässigkeit der Erlassung einer Geschäftsordnung ist in der Judikatur per se anerkannt. In jenen Fällen allerdings, in denen der Stiftungsvorstand durch diese in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (etwa wenn die Mehrheit der Rechtshandlungen pauschal zustimmungspflichtig gemacht werden oder sämtliche oder die Mehrzahl der relevanten Handlungen von Zustimmungen abhängig gemacht werden), steht sehr schnell die Frage einer unzulässigen Einschränkung im Raum und mangelt es derartigen Regelungen daher zumeist an der erforderlichen Rechtssicherheit.
Unzulässige Bestimmungen erlangen überdies selbst durch Eintragung (einer Änderung der Stiftungserklärung) in das Firmenbuch keine Rechtsverbindlichkeit; umso weniger dann durch die Regelung in einer Geschäftsordnung.
c) Absichtserklärungen / letter of wishes
Absichtserklärungen bzw. letter of wishes oder sonstige Nebenvereinbarungen von Stiftern vermögen es nicht, die Stiftungserklärung zu ändern. Der Stiftungsvorstand ist daher an diese grundsätzlich auch nicht gebunden. Dennoch wird in der Literatur mitunter die Meinung vertreten, dass – je nach Gestaltung der Stiftungserklärung – einem letter of wishes bei der Auslegung der Stiftungserklärung dennoch Bedeutung zukommen kann. So können sich nämlich aus einer Absichtserklärung Treuepflichten zwischen Stiftern ergeben, sofern sie der Stiftungserklärung bzw. des Stiftungszwecks nicht widersprechen. Eine gemeinsam, von allen Stiftern errichtete Absichtserklärung ist mit einem Syndikatsvertrag vergleichbar und soll daher Stiftern ermöglichen, sich außerhalb der Stiftungserklärung im stiftungsrechtlich zulässigen Rahmen zu binden. Denkbar wäre dies zum Beispiel bei der Ausübung von Gestaltungsrechten (etwa unter welchen Voraussetzungen eine Änderung der Stiftungsurkunde vorzunehmen ist oder wann sie eben nicht erfolgen soll) oder aber auch in Zusammenhang mit Vereinbarungen unter Bestellungsberechtigten bei Organbesetzungen, wenn es dadurch zu keinen Unvereinbarkeiten oder sonstigen Umgehungen kommt.
Die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten liegen naturgemäß im Stiftungsrecht; so ist etwa eine Übertragung der Begünstigtenstellung in einem letter of wishes nicht möglich, wenn es in der Stiftungserklärung nicht vorgesehen ist. Die Privatstiftung selbst und damit insbesondere der Stiftungsvorstand sind an derartige Vereinbarungen zwischen den Stiftern jedenfalls nicht gebunden.
d) Veranlagungsrichtlinien
Regelmäßig wird in der Stiftungserklärung auch das Recht des Stifters oder des Beirats verankert, Veranlagungsrichtlinien zu erlassen, welche Vorgaben zur Verwaltung des Stiftungsvermögens enthalten und somit das Ermessen des Stiftungsvorstandes konkretisieren und einschränken. Der rechtliche Handlungsrahmen für die Gestaltung von Veranlagungsrichtlinien ergibt sich aus den Regelungen der Stiftungserklärung unter Beachtung von § 17 Abs 2 PSG. In der Praxis finden sich in solchen Richtlinien für die Vermögensverwaltung und -veranlagung häufig sehr konkrete Vorgaben. Dort kann beispielsweise vorgesehen werden, dass bestimmte Vermögensgegenstände nicht veräußert werden dürfen, dass Anteile an gewissen Unternehmen erhalten werden müssen oder, dass das Stiftungsvermögen in bestimmte assets veranlagt werden soll. Außerdem können auch grundlegende Ziele der Veranlagung (zB Kapitalerhalt, langfristiger Vermögensaufbau) definiert werden.
Im Sinne des Erfordernisses der Weisungsfreiheit des Stiftungsvorstandes muss jedoch auch in diesem Zusammenhang im Einzelfall genau geprüft werden, ob nicht allenfalls die Veranlagungsrichtlinien zu sehr in die Unabhängigkeit des Vorstandes eingreifen. Denn, je detaillierter die Vorgaben in den Veranlagungsrichtlinien sind, desto umfangreicher schränken sie die Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes ein, was wiederrum mit einem dementsprechend hohen Risiko einhergeht, dass die Veranlagungsrichtlinien als unzulässige und rechtsunwirksame Weisung an den Stiftungsvorstand zu qualifizieren sind. Daher ist auch bei der Ausgestaltung von Veranlagungsrichtlinien darauf zu achten, die Weisungs- und Entscheidungsfreiheit des Vorstandes entsprechend zu wahren. Schränkt man diese in den Veranlagungsrichtlinien – durch zu konkrete Vorgaben und Handlungsanweisungen – in einem zu großen Ausmaß ein oder entzieht sie dem Vorstand gänzlich, riskiert man die Unzulässigkeit und mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Regelungen.
- Bedeutung für die Praxis und mögliche Gestaltungsoptionen
Es ist nachvollziehbar, dass der/die Stifter und/oder Begünstigte nicht gänzlich die Kontrolle über das Stiftungsvermögen abgeben und sich bestimmte Einflussmöglichkeiten vorbehalten möchten. Im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, die Anordnungen an den Stiftungsvorstand außerhalb der Stiftungserklärung in der Regel als stiftungsrechtlich unzulässige Weisungen qualifiziert, ist diese Form der vertraglichen Ausgestaltung jedoch mit einem hohen Risiko dahingehend verbunden, dass diese letztendlich gegenüber der Privatstiftung keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch begründen kann.
Sind Weisungen nicht möglich, so kann zumindest die Entscheidungsfindung des Vorstandes verfeinert werden. Eine bewährte Option, um sich als Stifter/Begünstigte eine gewisse Einfluss- bzw. Kontrollmöglichkeit im stiftungsrechtlich zulässigen Rahmen vorzubehalten, ist die Aufnahme eines „Beharrungsrechtes“ in der Stiftungserklärung.
Im Rahmen dieser Ausgestaltung der Stiftungserklärung wird dabei etwa vorgesehen, dass der Stiftungsvorstand bei bestimmten Rechtshandlungen vorab die Genehmigung, beispielsweise eines Beirates, einzuholen hat.
Da die Bindung des Stiftungsvorstandes an weitreichende Zustimmungsvorbehalte des Stifters oder eines Beirates unzulässig ist, wird dem Stiftungsvorstand, für den Fall der Ablehnung durch den Beirat und bei Vorliegen von Einstimmigkeit innerhalb des Vorstandes, das Recht eingeräumt, die Rechtshandlung, unter Angabe von Gründen die für eine Umsetzung sprechen, dennoch umsetzen (er kann also darauf „beharren“).
Der Stiftungsvorstand ist in seiner operativen Tätigkeit frei und nicht unzulässigerweise an einen weitreichenden Zustimmungsvorbehalt gebunden, während zugleich doch eine erhöhte Kontrollmöglichkeit durch bspw. den Beirat besteht. Man kann so zwar nicht verhindern, dass der Stiftungsvorstand allenfalls Entscheidungen gegen den Willen der Stifter/Begünstigten trifft, aber dennoch vorsehen, dass bestimmte vordefinierte Rechtshandlungen nicht zur Gänze ohne Einbindung eines Kontrollorgans umgesetzt werden und im Falle einer dennoch erfolgenden Umsetzung zumindest Einstimmigkeit des Vorstands sowie gute Gründe, die für die Maßnahme sprechen, vorliegen müssen.
- Zusammenfassung und Fazit
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass der/die Stifter bestimmte Regelungen (Anordnungen/Verfügungen/letter of wishes/Veranlagungsrichtlinien) außerhalb der Stiftungserklärung trifft/treffen, die Anordnungen an den Stiftungsvorstand enthalten. Auch das Bedürfnis zu derartigen Gestaltungen ist durchaus nachvollziehbar.
In diesem Zusammenhang ist jedoch Vorsicht geboten. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung wertet außerhalb der Stiftungserklärung getroffene Anordnungen des Stifters regelmäßig als stiftungsrechtlich unwirksame Weisungen an den Stiftungsvorstand. Das hat zur Folge, dass solche Verfügungen außerhalb der Stiftungserklärung, für den Stiftungsvorstand rechtlich nicht bindend sind und diese gegenüber der Privatstiftung keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch begründen. Eine Prüfung der im Zusammenhang mit der Privatstiftung existierenden Regelwerke – nämlich gerade auch solche außerhalb der Stiftungserklärung – ist unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls anzuraten und sinnvoll, um potenzielle Risiken zu minimieren.
Empfehlenswert ist oftmals in der Stiftungserklärung ein sogenanntes „Beharrungsrecht“ des Stiftungsvorstandes vorzusehen, sodass zwar bestimmte Rechtshandlungen des Stiftungsvorstandes einer Genehmigung (des Beirates) unterliegen, dieser jedoch das Recht hat, bei Nichterteilung einer solchen, auf Umsetzung der Rechtshandlung zu „beharren“.
DDr. Alexander Hasch ist seit 1989 Rechtsanwalt und seit 1997 auch in Tschechien zugelassen. Seine Schwerpunkte liegen im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Stiftungs- & Umgründungsrecht, Private Equity, M&A, Unternehmensnachfolge, Finanzierung KMU, Sanierung und Reorganisation von Unternehmen sowie Insolvenzrecht. Er ist Gründungspartner der HASCH UND PARTNER Rechtsanwälte GmbH und seit 2001 Lektor an der Universität Linz. Daneben ist er Vortragender u. a. an der Donau-Universität Krems sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen.
Mag. Johannes Wolfgruber, MBA ist Rechtsanwalt und Partner der HASCH UND PARTNER Rechtsanwälte GmbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Gesellschafts-, Handels- und Unternehmensrecht. Besondere Spezialgebiete sind Privatstiftungsrecht, Umgründungen und Unternehmenstransaktionen (M&A), Unternehmensgründung und -nachfolge. Darüber hinaus ist er Fachvortragender und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen insbesondere zum Privatstiftungsrecht.