Die Gewinner der Corona-Krise und Erfahrungen aus Asien sowie zukünftige Entwicklungen und Trends waren Themen des jüngsten RICS/HSLU-Webinars. Logistikimmobilien gehören aus Sicht der Teilnehmer weltweit zu den großen Gewinnern, aber auch flexible und dezentrale Co-Working-Lösungen und innovative Co-Living-Konzepte. Ausgewählte Erfahrungen aus Hong Kong sind hierbei auf die Schweiz übertragbar.
Die asiatischen Immobilienmärkte waren die ersten, die von der «Corona-Krise» betroffen waren, und sind auch die ersten, die den «Lockdown» beendeten. Folglich liefert der Blick nach Asien wertvolle Informationen über die Auswirkungen der Krise auf lokale Immobilienmärkte – diese Erkenntnisse können auch ein Indikator für den Schweizer Immobilienmarkt sein resp. für parallele Entwicklungen. Gleichwohl ist eine direkte Übertragung der Resultate und Einschätzungen auf den hiesigen Immobilienmarkt nicht vollständig möglich, da Größe und Strukturen unterschiedlich sind. In diesem Zusammenhang gleicht die «Corona-Krise» eher einer (weltweiten) Naturkatastrophe als einer klassischen Finanzkrise.
An dieser Stelle setzte das Juni-Webinar der RICS und der Hochschule Luzern an, zu dem Prof. Dr. Michael Trübestein MRICS, Studiengangsleiter des MScRE und Member des Boards der RICS, und Pierre Stämpfli MRICS, Senior Vice President bei JLL und Chairman der RICS in Switzerland, eingeladen hatten und das von diesen moderiert wurde. Im Rahmen des einstündigen Webinars präsentieren monatlich führende Vertreter der internationalen Immobilienwirtschaft die neuesten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis.
Hong Kong war bereits in der Rezession
Denis Ma MRICS, Partner der Generations Limited und zuvor Head of Research bei JLL in Hong Kong, beleuchtete in seinem Impulsvortrag zu «Insights from Hong Kong» strukturiert und zielführend die Entwicklungen in Hong Kong und China. Die Stadt befand sich bereits vor Covid-19 in einer Rezession. Die Auswirkungen der Corona-Krise waren folglich bedeutend, insbesondere in den Bereichen Hospitality und Detailhandel. Im Vergleich mit der Schweiz, aber auch mit China, kam es jedoch nur zu sehr wenigen Todesfällen: Es erlagen nur 0.5 Personen pro 1 Mio. Einwohner der Krankheit im Vergleich zur Schweiz mit über 200 Toten pro 1 Mio. Einwohner. Nach massiven Konjunkturpaketen und einer schrittweisen Lockerung sind Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung erkennbar. Dieses geht einher mit einem «revenge shopping» und einem «revenge travel», einem starken Anstieg des Konsum- und Reiseverhaltens – beide Verhaltensweisen sind auch in China wahrnehmbar.
Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
Die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt in Hong Kong sind vergleichbar zu den Schweizer Märkten: Im Bereich «Office» kehren die Mitarbeitenden zunehmend stärker in die Büros zurück, wenn auch zahlreiche Arbeitgeber HomeOffice Regelungen einführen. Hierbei kommt es zu freiwilligen Distanzregelungen, Fiebermessungen in den Lobbys der Bürogebäude und einer starken Diskussion über zukünftige Arbeitsformen und Organisationen. Stationäre Detailhändler verhandeln – vergleichbar mit der Schweiz – über mögliche Mietstundungen, während online Händler expandieren. Der Wohnungsmarkt erholt sich zunehmend aufgrund einer einkommensstarken Arbeitnehmerstruktur und den bekanntlich niedrigen Zinsen. Eine Ausnahme bildet hierbei das Luxussegment. Zusammenfassend ist deutlich erkenntlich, dass Logistik und Data-Center die klaren Gewinner der Krise in Hong Kong sind und mittelfristig auch Wohnen, Co-Living, Co-Working und dezentralisierte Büronutzungen. Eine erwartete V-Entwicklung an den Immobilienmärkten wird durch geopolitische Entwicklungen nachhaltig beeinflusst.
Logistik als großer Gewinner
Der zweite Impulsvortrag «Logistics: The new champion?» von Arno Kneubühler, CEO, Procimmo SA, beleuchtete genau diese Entwicklungen: Logistikimmobilien gehören zu den klaren Gewinnern der Krise. Der bisher positive Trend wurde durch Corona nochmals beschleunigt, wobei der Bereich «Logistikimmobilien» ein weites Feld darstellt und von großen Logistikhallen bis hin zum integrierten «Last-Mile»-Objekt reicht. Da 40% der Logistikfläche mit der Industrie verbunden sind, werden Effekte hier besonders spürbar sein, wenn sich die Rezession nachhaltig auf die Industrieproduktion auswirkt. Mit 30% Logistikfläche für den Detailhandel – u.a. auch online Shopping – dürfte die Nachfrage in diesem Segment jedoch stabil bleiben resp. weiter steigen. Für die Schweiz wird in den nächsten Jahren ein Anstieg im online-Handel i.H.v. CHF 1 Mrd. erwartet – hierfür werden ca. 85’000 m2 Logistikfläche benötigt. Unklar ist, wie viel dieser Fläche in der Schweiz benötigt und wie viel Fläche durch grenznahe Logistikimmobilien im Ausland erbracht wird. Für die Immobilienbranche ist ferner das hohe Wachstum an City Logistic bedeutend und die Frage, wie der Zugang zum Endkunden ermöglicht wird. Hierbei ist es herausfordernd, Platz für die Entwicklung von Gebäuden in der Nähe der Stadtzentren und mit guten Straßenverbindungen zu finden und diese in letzter Instanz auch umzusetzen. Ferner stellen sich Fragen, wie viel zukünftig «lokal» produziert wird und ob ausgewählte Supply Chains nach der Corona-Krise neu definiert und in die Schweiz (zurück) verlagert werden. Mittel- bis langfristig werden sicherlich Drohnen, autonome Zustellung oder auch das Cargo Sous Terrain System von Bedeutung für die Logistikimmobilie sein.
Zukünftige Trends setzten sich fort
Zukünftige Trends in der Immobilienwirtschaft wurden gezielt von Roger Krieg MRICS, CEO Office LAB AG, aufgegriffen und in seiner Präsentation zu «Future trends after Covid-19: What are the hot topics?» elaboriert. Hierbei wurde auch die Anfangsfrage aufgegriffen, welche zukünftigen Auswirkungen und Trends durch die Krise verursacht oder durch die Krise beschleunigt wurden. Basierend auf einer gezielten Analyse der derzeitigen Entwicklungen und Rahmenbedingungen wurden 10 Thesen zur zukünftigen Entwicklung der Schweizer Immobilienwirtschaft abgeleitet und zielführend diskutiert. Diese reichten von den Auswirkungen der Sharing Economy bis zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Raum, den wir in Zukunft einnehmen.
Flexibilität als genereller Gewinner
Die klaren Gewinner der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in der Schweiz sind Immobilienunternehmen, die flexible Lösungen für Mieter anbieten. Gleichzeitig müssen Immobilien genügend Flexibilität aufweisen, um eine wichtiger werdende Work-Life Balance abzubilden. Hierbei werden auch Unternehmen gewinnen, die flexible Arbeitsmodelle bereitstellen und damit die besten Arbeitskräfte begeistern. Ferner wird die Bedeutung von Immobilien an attraktiven und strategisch wichtigen Lagen zunehmen. In Summe wird die Bedeutung von flexiblen, qualitativ hochwertigen Coworking-Lösungen steigen, die idealerweise an zentralen Lagen zu finden sind.
Mag. Prof. Dr. Michael Trübestein MRICS ist Professor und Projektleiter an der Hochschule Luzern (CH) sowie Leiter des Studiengangs Master of Science in Real Estate (MScRE). Im September 2013 nahm er einen Ruf zur Professur für Immobilienmanagement und -investments an der Hochschule Luzern (CH) an. Ferner lehrt er seit 2011 an der Politecnico di Milano in Mailand (I).
Seit 2018 ist er im Board der Royal Institution of Chartered Surveyors Suisse (RICS) und der FIBREE-Stiftung sowie seit 2010 Distinguished Fellow of the American Real Estate Society (ARES).