Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Thema, inwieweit sich das Pflichtteilsrecht auf Privatstiftungen auswirkt.
In der Beratungspraxis begegnet uns dabei immer wieder die von Stiftern gestellte Frage, welche Auswirkungen die Einräumung einer Begünstigtenstellung an pflichtteilsberechtigte Personen haben kann und wie man in der Stiftungsurkunde oder letztwilligen Verfügungen entsprechend dafür sorgen kann, den Stifterwillen bestmöglich umzusetzen, ohne dabei gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen zu verstoßen.
- Allgemeines zum Pflichtteilsrecht
Das Pflichtteilsrecht sieht vor, dass bestimmten nahen Angehörigen des Verstorbenen, den sogenannten Pflichtteilsberechtigten (das sind Nachkommen und Ehegatten bzw. eingetragene Partner), ein bestimmter Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen zuzukommen hat, wenn sie testamentarisch nicht bedacht wurden. Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde. Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten, dh der Pflichtteilsanspruch berechtigt nicht dazu, bestimmte Vermögensgegenstände aus den Aktiven der Verlassenschaft zu erhalten, sondern stellt lediglich eine Geldforderung gegen die Erben dar.
Zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten sieht das Gesetz vor, dass bestimmte Schenkungen des Verstorbenen zu Lebzeiten der Verlassenschaft rechnerisch hinzugeschlagen werden und dies zu einer Erhöhung aller Pflichtteile führt. Dadurch soll verhindert werden, dass bereits zu Lebzeiten Vermögen an Dritte übertragen wird, um dadurch die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch zu verringern. Sofern Schenkungen an Nachkommen oder Ehegatten/eingetragene Partner erfolgt sind, besteht eine zeitlich unbeschränkte Hinzurechnung solcher Schenkungen, bei Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen werden hingegen nur Schenkungen innerhalb der letzten 2 Jahre vor Ableben berücksichtigt.
Da eine Privatstiftung selbst nicht pflichtteilsberechtigt ist, gilt für Vermögensübertragungen an eine Privatstiftung die Zwei-Jahres-Frist, wobei der Beginn der Frist davon abhängt, ob der Stifter ein sogenanntes Vermögensopfer erbracht hat. Dieses wird erst dann angenommen, wenn der Stifter sich keine weitreichenden Änderungs- und Widerrufsrechte vorbehalten hat. Verbleiben ihm wesentliche Einflussmöglichkeiten auf das Stiftungsvermögen hat die Zwei-Jahres-Frist nicht zu laufen begonnen.
- Auf den Pflichtteil anrechenbare Vermögenswidmungen / Begünstigtenstellung und Pflichtteilsdeckung
Vermögenswidmungen an Privatstiftungen sind von enormer pflichtteilsrechtlicher Bedeutung und können von Stiftern oft nicht bedachte Rechtsfolgen nach sich ziehen. So ist die Vermögenswidmung des Stifters an eine Privatstiftung nach den pflichtteilsrechtlichen Bestimmungen als eine Schenkung unter Lebenden zu qualifizieren, an welche das Gesetz in den vorgesehenen Fällen eine Hinzurechnung auf die Verlassenschaft knüpft, sofern die Vermögenswidmung innerhalb der letzten 2 Jahre vor dem Ableben des Stifters erfolgt ist.
Das Gesetz sieht weiters vor, dass alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbteil, Vermächtnis oder nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom Verstorbenen errichteten Privatstiftung oder vergleichbaren Vermögensmasse erhält, auf den Geldpflichtteil angerechnet, also von diesem abgezogen wird (§ 780 ABGB). Die Einsetzung eines Pflichtteilsberechtigten als Begünstigten einer Privatstiftung hat somit eine pflichtteilsdeckende Wirkung.
Die Einräumung einer Begünstigtenstellung stellt eine Schenkung unter Lebenden dar. Einerseits führt – wenn der Begünstigte ein Nachkomme oder Ehegatte/eingetragener Partner des Stifters ist zeitlich unbeschränkt – diese zu einer wertmäßigen Hinzurechnung des Vermögenswerts der Begünstigtenstellung zur gesamten Verlassenschaft, was zu einer Erhöhung sämtlicher Pflichtteile führt, andererseits zu einer Anrechnung auf den Pflichtteil des konkreten Begünstigten, bei dem der Wert zur Deckung seines Pflichtteils abgezogen wird. Verfügt der Stifter auf dessen Todesfall über Zuwendungen aus der Privatstiftung, sind solche Zuwendungen auf den Todesfall bei Pflichtteilsermittlung des Empfängers ebenfalls einer Anrechnung zu unterwerfen. Viel Auslegungsspielraum besteht für die Bewertung der Begünstigtenstellung für Zwecke der Hinzurechnung zum Verlassenschaftsvermögen; dies wird auch von der konkreten Gestaltung der Begünstigtenansprüche in der Stiftungsurkunde abhängen.
Die konkreten Regelungen in der Stiftungsurkunde insbesondere dahingehend, welche Vorgaben dem Stiftungsvorstand für seine Zuwendungsentscheidung auferlegt werden, sind von entscheidender Bedeutung für die Frage der Hinzurechnung. Es wären auch Fälle denkbar, in denen keine Hinzurechnung erfolgt, zB wenn die Auswahl der Begünstigten in der Stiftungsurkunde dem freien Ermessen eines Stiftungsorganes überlassen wird, da diese Begünstigtenauswahl eben gerade nicht auf dem Willen des Verstorbenen gründen würde. In der Mehrzahl der österreichischen Stiftungen, welche als Familienstiftungen konzipiert sind und die auf die Versorgung der – auch in der Urkunde konkret bereits vorgegebenen – Familienbegünstigten abzielen, trifft dies aber nicht zu.
An dieser Stelle sei der Vollständigkeit halber auch erwähnt, dass die Regelungen des Pflichtteilsrechts auch weitergehende Rechtsfolgen nach sich ziehen können, als eine „Schenkungsanrechnung“ (zB die Verpflichtung der Stiftung bzw der Begünstigten zur Auskunftserteilung an denjenigen, der berechtigt ist eine Hinzurechnung zu verlangen sowie eine allfällige Haftung der Stiftung und/oder Begünstigten für nicht aus der Verlassenschaft befriedigte Pflichtteilsansprüche).
- Gestaltungsmöglichkeiten und Praxistipps
Parallel zur geplanten Stiftungserrichtung sollten immer auch die erbrechtlichen Aspekte mitbedacht und möglichst abschließend geregelt werden. Es ist daher bei der Gestaltung der Stiftungsurkunde bzw einer allfälligen Stiftungszusatzurkunde auf bestehende letztwillige Verfügungen und pflichtteilsberechtigte Personen Bedacht zu nehmen. Generell ist es aus Beratersicht unerlässlich, Regelungen in letztwilligen Verfügungen des Stifters und jene in der Stiftungsurkunde aufeinander abzustimmen.
Insbesondere sollten auch (zumindest partielle) Pflichtteilsverzichte der Pflichtteilsberechtigten überlegt werden, um zu vermeiden, dass die Stiftung nach dem Ableben des Stifters hohen Pflichtteilsergänzungsanprüchen ausgesetzt wird.
Darüber hinaus empfehlen wir, Regelungen in bestehenden Stiftungsurkunden und Stiftungszusatzurkunden regelmäßig im Lichte erfolgter Gesetzesänderungen und aktueller Judikatur, sowie darauf, ob sie noch dem Willen des Stifters entsprechen, zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern ein Änderungsrecht vorbehalten wurde – anzupassen.
Dr. Wolfgang Lauss ist Rechtsanwalt und Partner der Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Linz. Er ist auch Universitätslektor an der Johannes Kepler Universität Linz und Mitglied in mehreren Stiftungsvorständen. Er berät unter anderem bei der gesellschaftsrechtlichen Strukturierung von Familienbetrieben einschließlich der Konzeptionierung von Syndikatsverträgen und Nachfolge- und Exitregelungen sowie Privatstiftungsmodellen.
Mag. Michaela Nill, LL.M. ist Rechtsanwältin und Partnerin der Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Linz. Den Schwerpunkt ihrer anwaltlichen Tätigkeit bilden das Medizinrecht sowie das Gesellschafts- und Stiftungsrecht. Zu ihrem Tätigkeitsfeld zählt unter anderem auch die Beratung bei der Nachfolgeplanung.