Skip to main content
Digitalisierung/Organisation

Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist. Stiftungsmonitor 2022 – die Ergebnisse

By 4. Januar 2023März 31st, 2023No Comments

Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist.

Frei nach Paul Watzlawick scheint es unterschiedliche Wirklichkeiten in österreichischen Stiftungen zu geben. Im Sinne einer 360 Grad Betrachtung der Stiftungswelt haben wir die Antworten des „Stiftungsmonitors 2022“ danach analysiert, welche Funktion die Umfrageteilnehmer in der Stiftung innehaben (Stifter/Vorstand/Begünstigter). Und dabei sind wir auf spannende Aussagen gestoßen.

Doch der Reihe nach …

Als erstes möchten wir uns bei Ihnen ganz herzlich für Ihre Teilnahme an unserer Stiftungsumfrage bedanken. Rund 10 % aller österreichischer Privatstiftungen haben die Fragen unserer Umfrage beantwortet, womit wir auch dieses Jahr repräsentative Antworten der österreichischen Stiftungslandschaft präsentieren können.

Und nun zu den Erkenntnissen aus der Umfrage …

Seit 2020 gab es 50 höchstgerichtliche Entscheidungen, die laut Rechtsinformationssystem des Bundes (www.ris.bka.gv.at) unter dem Schlagwort „Privatstiftungsgesetz“ zu finden sind. Seit 2000 gibt es 172 Urteile. Zusätzlich gab es in diesem Zeitraum natürlich auch Gesetzesänderungen entsprechender Gesetzesmaterialien und weitere Judikatur, die nicht mit „PSG“ beschlagwortet ist.

Die von uns erwartete Reaktion der Stiftungen auf diese Fülle an Änderungen wäre die, dass auch ein Gros der Urkunden überarbeitet sein sollte – und hier zielen wir noch gar nicht auf das Generationenthema ab. Die Realität ist aber die, dass zwischen 2020 und heute nur 25,5 % der Stiftungen ihre Urkunde überarbeitet haben. 24,2% haben die Urkunde überhaupt noch nie oder letztmalig vor über 10 Jahren überarbeitet.

Die Frage nach der Qualität der aktuellen Fassungen der einzelnen Stiftungsurkunden kann und muss an dieser Stelle gestellt werden!

Wie entwickelt sich das Zusammenleben in der Stiftung nach dem Ableben der Stiftergeneration?

Dieses Thema wollten wir mit den Antworten auf die Frage „Haben Begünstigte die bisherige Gebarung des Stiftungsvorstandes überprüfen lassen“ verstehen. Um tiefer in Stiftungen zu blicken, haben wir die Antworten danach gefiltert, ob die Stiftergeneration bereits verstorben ist oder noch lebt.

Die Antwort ist eindeutig: nach Ableben der Stifter sehen wir eine Zunahme externer Überprüfung von über 50%!

Und wie ist dies nun mit der Wirklichkeit in den einzelnen Stiftungen?

Äußerst erfreulich für das professionelle Management einer Stiftung ist die Aussage der Umfrage, wonach über 82% aller Stiftungen über einen Bericht verfügt, aus dem die Gesamtstruktur des Stiftungsvermögens ableitbar ist.

Die anfangs erwähnte 360 Grad Betrachtung führt jedoch zu differenzierten Aussagen: der Vorstand ist zu 87% der Meinung, dass ein solcher Bericht vorhanden ist. Gleichzeitig sehen aber nur 73% der Stifter, dass ein Gesamtbericht existiert!

Neben der Quantität der Berichte ist auch die Qualität dieser Berichte selbstredend ein weiteres entscheidendes Kriterium – und damit nähern wir unser der Wirklichkeit in den Stiftungen!

Die Qualität der Gesamtberichte kann man sehr gut darüber ablesen, wie sehr die Stakeholder der Stiftung (Stifter/Begünstigte/Vorstand) über einfache Zahlen wie die erzielte Entwicklung des Vermögens oder auch über die Strategie Bescheid wissen!

Die Antworten auf die Strategie der Vermögensveranlagung zeigt große Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. So glauben etwa 17% der Begünstigten, dass dynamisch veranlagt wäre, während diese Meinung nur 8% der Vorstände teilen. Diese und ähnliche Abweichungen zeigen sich bei sämtlichen Antworten.

Mit anderen Worten: die Stakeholder der Stiftungen haben stark unterschiedliche Wahrnehmungen über das Wirtschaften der Stiftung!

Auch beim Wissen über die Entwicklung des Stiftungsvermögens zeigen sich große Unterschiede. So glauben über 3% der Begünstigten, dass das Vermögen dieses Jahr einen Verlust von über 20% erwirtschaftet hätte, während kein Stifter und kein Vorstand dies so sieht! Diese Unterschiede im Wissen über die Entwicklung des Vermögens zeigt sich quer über alle Antworten!

Welche Wirklichkeit ist nun wirklich und warum gibt es diese unterschiedliche Wahrnehmung?

Die Antwort darauf lässt sich nur im Berichtswesen und in der Kommunikation einer jeden einzelnen Stiftung finden. Faktum ist aber, dass es häufig ein System oder Berichte gibt, diese aber in der Qualität mangelhaft sein dürften.

Eine weitere Frage des Stiftungsmonitors lässt aber erahnen, dass Stiftungen diese Problematik der Qualität der Berichterstattung und Kommunikation durchaus wahrnehmen. Die Fragen nach Sinnhaftigkeit von begleitender Kontrolle und regelmäßigem Berichtswesen wurden von allen Gruppen mit „sehr sinnvoll“ beantwortet.

Conclusio:

  • Der Prozentsatz an Stiftungen, die noch nie oder vor mehr als 10 Jahren zuletzt die Stiftungsurkunde überarbeitet haben, ist mit 25% sehr hoch. Diese Stiftungen laufen Gefahr, dass die Urkunde Formulierungen enthält, die den gesetzlichen Vorgaben oder den Bedürfnissen der Stifter bzw. Begünstigten nicht entsprechen.
  • Die Angaben lassen schließen, dass zwar häufig eine Form von Berichtswesen vorhanden ist, die Qualität bzw. Konsistenz dieser Berichte aber zu hinterfragen ist. Dies kann aus den unterschiedlichen Angaben zur Qualität der Berichte von Vorständen, Stiftern und Begünstigten geschlossen werden. Auch unterschiedliche Angaben dieser Stakeholder zur finanziellen Entwicklung der Stiftung lassen diesen Schluss zu.
  • Der Bedarf an Unterstützung in den Bereichen Vermögenskontrolle und Reporting ist eindeutig vorhanden.

Handlungsempfehlungen:

  • Regelmäßige Überprüfung der Stiftungsurkunde: analog zur regelmäßigen Überprüfung der Fahrttauglichkeit eines Kraftfahrzeuges sollte auch die Stiftungsurkunde regelmäßig überprüft werden, ob diese noch den aktuellen Gegebenheiten entspricht. Dies vermeidet zukünftige Diskussionen zwischen Stämmen und Generationen.
  • Professionalisierung des Berichtswesens: ein transparentes Berichts- und Kontrollwesen mit einem Zugang für alle Stakeholder muss installiert werden, um Information über die eigene Stiftung klar zu kommunizieren. Unterschiedlicher Wissenstand und Wahrnehmung über das Wirken von Familienstiftungen ist der Hauptgrund für Auseinandersetzungen in der Familie. Deshalb ist das Fundament für ein professionelles Management einer Stiftung ein transparentes Berichts- und Kontrollwesen und damit das beste Instrument zur Verhinderung von Meinungsverschiedenheiten.

Der Stiftungsmonitor 2022 zeigt, dass es akuten Handlungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen der österreichischen Stiftungen gibt!

Sehr gerne stehen wir Ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung und erarbeiten gerne mit Ihnen eine Systematik, nach der auch Ihre Stiftung für viele Generationen ein Gegenwarts- und Zukunftsmodell bleibt!

Neben den bereits erwähnten Kernaufgaben für Stiftungen gab es auch noch weitere interessante Aussagen aus der Umfrage, die wir Ihnen hier noch mitteilen möchten:

Organisation der Stiftung im Kontext des Generationenübergangs:

  • Bei 24% aller Stiftungen gibt es keine regelmäßigen Zusammenkünfte mit den Begünstigten, um die Entwicklung der Stiftung zu besprechen.
  • Sehr gut bis zufriedenstellend wird das Verhältnis zwischen Vorstand und Begünstigten bezeichnet.

Immobilie in der Stiftung:

  • Österreichische Stiftungen verfügen über eine sehr breite Streuung in einzelnen Immobilienklassen, wobei sie überwiegend in Wohnimmobilien investiert sind.
  • Der Immobilienbesitz befindet sich überwiegend in Österreich, ein kleiner Teil in anderen EU-Staaten. Globale Immobilieninvestments sind in österreichischen Stiftungen kaum vorhanden.
  • 40% aller Stiftungen haben ihr Immobilienvermögen noch nie bewerten lassen. Immerhin 40% tun dies regelmäßig.
  • 62% kennen auch bereits die zukünftigen Anforderungen im Hinblick auf ESG- und Energiemaßnahmen.

Unterstützung im Stiftungsmanagement

  • Vorstände sehen externe Unterstützung in den Bereichen Vermögenskontrolle, Reporting und Beurteilung der Steuersituation als sehr sinnvoll an.
  • Stifter und Begünstigte sehen in den Bereichen Vermögenskontrolle und Reporting Bedarf an externer Unterstützung.
  • Auch bei den Themen zentrale Ablage, Erfüllung von Offenlegungspflichten, administrative Tätigkeiten und regelmäßige Beurteilung der Stiftungsurkunde sieht man externe Unterstützung als sinnvoll an.

Vermögen in der Stiftung

  • Die Vermögenswerte in Privatstiftungen sind breit gestreut, wobei die drei größten Vermögensklassen Unternehmensbeteiligungen, Immobilienbesitz und Wertpapiere sind.
  • 38% berücksichtigen bereits ESG-Ziele bei ihren Veranlagungen.
  • 50% wünschen Beratung zu den Themen EU-Taxonomieverordnung und Nachhaltigkeitsreporting.
  • 35% der Stiftungen haben nach wie vor keine Anlagerichtlinien.
  • Die Verantwortung der Überwachung der Entwicklung und Bewertung der Anlageresultate liegt zu einem Großteil beim Vorstand. Unterstützung von externen Beratern wird als sehr sinnvoll angesehen. Lediglich12% nutzen allerdings diese Unterstützung.
  • Rund 40% geben an, konservativ veranlagt zu sein. Im Vergleich zum Vorjahr liegt dieser Anteil heuer doppelt so hoch. Dynamische Anlagen wurden im selben Ausmaß reduziert.

Wir danken Ihnen sehr für Ihre wertvolle Mithilfe!

Sehr gerne stehen wir Ihnen bei Fragen oder Wünschen zur Verfügung!