- Einleitung
Im Gesellschaftsrecht, allen voran größeren Kapitalgesellschaften, ist das Schiedsverfahren (im Englischen arbitration genannt) eine beliebte Form der Streitbeilegung. In jüngerer Zeit enthalten auch immer mehr Stiftungserklärungen Klauseln, wonach Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen sind. Damit in Zusammenhang stehen auch die Bemühungen des VIAC (Vienna International Arbitral Center), die besonderen Bedürfnisse von Private Clients in Zukunft besser bedienen zu können.
Dazu passt, dass der OGH (14.04.2021, 18 OCg 1/21b) erst jüngst über eine Aufhebungsklage eines Schiedsspruchs zu entscheiden hatte, bei der eine Privatstiftung beklagte Partei war. Hierbei ging es um die Frage, ob das Schiedsgericht überhaupt sachlich zuständig ist. Entgegen der ursprünglichen Version der Stiftungszusatzurkunde, die eine Schiedsklausel enthielt, fehlte diese in der aktuellen Stiftungszusatzurkunde. Das Schiedsgericht erklärte sich für unzuständig, was der OGH letztlich bestätigte.
Die Bemühungen des VIAC und diese Entscheidung sollen zum Anlass genommen werden, um auf die grundsätzliche Möglichkeit einer schiedsgerichtlichen Bereinigung von Streitigkeiten hinzuweisen sowie die Vor- und Nachteile eines solchen Verfahrens überblicksartig darzustellen.
- Schiedsverfahren – Allgemein
Das Schiedsverfahren stellt eine Form der außergerichtlichen Streitbeilegung dar. Es wird von nichtstaatlichen Entscheidungsorganen, sogenannten Schiedsrichtern, durch ein bindendes und vollstreckbares Urteil, dem Schiedsspruch, beendet. Abgewickelt wird das Verfahren in der Regel von einer Schiedsorganisation (zB VIAC), die auch die jeweils eigene Verfahrensordnung zur Verfügung stellt.
Möchten Parteien Streitigkeiten vor einem privaten Schiedsgericht anstatt einem staatlichen Gericht austragen, müssen sie dies ausdrücklich vereinbaren. Dies geschieht durch eine Schiedsabrede oder auch Schiedsklausel, die in die Stiftungsurkunde oder besser Stiftungszusatzurkunde aufzunehmen ist. Voraussetzung ist, dass es sich bei der Streitigkeit um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt. Nur diese sind objektiv schiedsfähig. Dazu zählen etwa die Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern sowie die Auswahl der Begünstigten und die Höhe der Zuwendungen an diese. Die konkrete Reichweite der Schiedsabrede bleibt freilich den Stiftern vorbehalten. Zu beachten ist weiters, dass zwingende Zuständigkeiten des Firmenbuchgerichts, etwa iZm der gerichtlichen Abberufung von Organmitgliedern durch eine Schiedsabrede nicht ausgehebelt werden können.
- Vorteile
Ein Schiedsverfahren hat eine ganze Reihe an Vorteilen. Der wohl größte Vorteil ist die Schnelligkeit des Verfahrens. Das hängt nicht nur mit der Verfahrensart zusammen, sondern vor allem mit der beschränkten Möglichkeit des Instanzenzugs. Vor staatlichen Gerichten gibt es regelmäßig drei Instanzen, auch wenn die Anrufung des OGH nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich ist. Ein Schiedsverfahren hat in aller Regel nur eine Instanz.
Ein weiterer großer Vorteil, wovon wohl vor allem Stifterfamilien profitieren, ist, dass das Schiedsverfahren im Gegensatz zu Gerichtsverfahren nicht öffentlich ist. Zwar werden auch Urteile staatlicher Gerichte, sofern überhaupt, nur anonymisiert veröffentlicht. Da jedoch Streitigkeiten bekannter Persönlichkeiten gerne das Interesse der Öffentlichkeit erwecken, sind die Anonymisierungen nicht stets erfolgsversprechend. Zudem sind die Verhandlungen vor staatlichen Gerichten idR der Öffentlichkeit zugänglich.
Ob die Qualität der Schiedssprüche die Urteile staatlicher Gerichte übertrifft, kann nicht seriös beurteilt werden. Durch die Auswahl von Experten als Schiedsrichter ist jedenfalls ein tieferes Verständnis der Rechtsform Privatstiftung gegeben. Hinzu kommt, dass ein Schiedsspruch unter den Beteiligten oftmals größere Akzeptanz entfaltet, da die Streitparteien an der Bestellung der Schiedsrichter mitwirken.
- Nachteile
Gerne wird der Kostenvorteil eines Schiedsverfahrens gegenüber den staatlichen Gerichten als Argument vorgebracht. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Vor allem wenn es sich um Streitigkeiten handelt, die der Höhe nach eher im unteren Bereich angesiedelt sind, kann das Verfahren vor einem staatlichen Gericht sogar kostengünstiger sein. Dies ist jedoch von mehreren Faktoren abhängig: insbesondere die Anzahl der Schiedsrichter und die Anzahl der Schriftsatzwechsel, die die Schiedsordnung zulässt. Zudem besteht die Gefahr, dass der Kläger die Kosten des gesamten Schiedsverfahrens vorstrecken muss, wenn der Beklagte sich weigert, seinen Anteil zu leisten.
Auch der besprochene Geschwindigkeitsvorteil ist nur relativ. Wie das Eingangsbeispiel zeigt, steht auch bei einem Schiedsverfahren der Weg zum OGH grundsätzlich offen. Das Verfahren vor dem OGH beschränkt sich jedoch auf die Prüfung, ob das Schiedsgericht seine Befugnis überschritten hat, die Mindestgarantien eines rechtsstaatlichen Erkenntnisverfahrens gewährleistet waren und ob der Schiedsspruch den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung entspricht. Diese Aufhebungsklage ist nur selten erfolgreich.
- Schlussbemerkung
Im Ergebnis bedarf es einer umfassenden Abwägung der Interessen und der finanziellen Möglichkeiten des Stifters sowie der Privatstiftung bei der Klärung der Frage, ob eine Schiedsvereinbarung im konkreten Fall sinnvoll ist. Dies ist nicht nur bei Stifterfamilien der Fall, die ihre Angelegenheit fernab der Öffentlichkeit regeln wollen. Dasselbe kann gelten, wenn die Privatstiftung Unternehmensbeteiligungen hält und die Gefahr besteht, dass sensible Geschäftsinformationen nach außen dringen könnten. Schließlich sorgt man für Streitigkeiten am besten dann vor, wenn solche noch nicht zu erwarten sind.
DDr. Katharina Müller ist Rechtsanwältin und Partnerin von Müller Partner Rechtsanwälte in Wien. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Stiftungsrecht und der Gestaltung von Vermögensweitergabekonzepten durch Stiftungen. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen und Vortragende ua im Masterstudiengang „Familienunternehmen und Vermögensnachfolge“ der Universität Wien.
Dr. Martin Melzer, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner der Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Privatstiftungs- und gemeinnütziges Stiftungsrecht, sowie im Erb-, Familien und Gesellschaftsrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikation und Vortragender ua im Masterstudiengang „Familienunternehmen und Vermögensnachfolge“ der Universität Wien.