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Steuer- und Zivilrecht

Geschäfte zwischen dem Stiftungsvorstand und der Privatstiftung

  1. Einführung

Der OGH (6 Ob 151/20d) hat unlängst ausgesprochen: Ein Mandatsvertrag, den eine Privatstiftung mit einer Rechtsanwaltskanzlei abschließt, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wird und in der ein Mitglied des Stiftungsvorstands Gesellschafter ist, bedarf der Genehmigung aller übrigen Mitglieder des Stiftungsvorstands und des Gerichts. Die damit angesprochene Problematik ist allgegenwärtig bei Privatstiftungen. Denn sie basiert auf der Tatsache, dass dem Vorstand von Privatstiftungen vielfach Personen angehören, die aufgrund mehrerer Funktionen nicht nur die Interessen der Stiftung, sondern gleichzeitig auch andere Interessen zu wahren haben.

  1. Grundlagen des allgemeinen Zivilrechts

Sedes materiae dieser Problematik ist im PSG § 17 Abs 5. § 17 Abs 5 PSG beruht auf der Einsicht des Gesetzgebers, dass es bei Rechtsgeschäften zwischen der Privatstiftung und einem Mitglied des Stiftungsvorstands zu einer Interessenkollision kommt. Solche Interessenkollisionen sind freilich kein spezifisches Phänomen des Privatstiftungsrechts, sondern im fremdbezogenen Handeln grundgelegt. Sie treten daher bei jeder organschaftlichen Vertretung naturgemäß auf. Da die organschaftliche Vertretung auf dem Stellvertretungsrecht des allgemeinen Zivilrechts aufbaut, lohnt es sich, zunächst den Umgang des allgemeinen Zivilrechts mit Interessenkollisionen in der Person des Stellvertreters zu beleuchten. Eingebürgert hat sich dafür der Begriff des Insichgeschäfts.

Das allgemeine Zivilrecht führt Insichgeschäfte keiner generellen Regelung zu (s indessen § 181 BGB). Vielmehr widmet sich das allgemeine Zivilrecht Insichgeschäften nur punktuell (zB § 277 Abs 2 ABGB). Nichtdestotrotz hat sich für Insichgeschäfte eine geläufige Definition und ein zumindest über weite Strecken unstrittiges Rechtsfolgenregime etabliert. So liegt definitionsgemäß ein Insichgeschäft vor, wenn ein Vertreter rechtsgeschäftliche Wirkungen für und gegen den Vertretenen durch Willenserklärung an sich selbst erzeugt (OGH RIS-Justiz RS0031257). Unterschieden werden dabei zwei Typen, nämlich das Selbstkontrahieren und die Doppelvertretung:

  • Beim Selbstkontrahieren schließt der Vertreter das Geschäft mit sich selbst ab. Im Fall einer Privatstiftung schließt also das Stiftungsvorstandsmitglied das Geschäft für die Privatstiftung und sich selbst.
  • Bei der Doppelvertretung schließt der Vertreter das Geschäft für zwei oder sogar mehrere Vertretene ab. Im Fall einer Privatstiftung schließt also das Stiftungsvorstandsmitglied das Geschäft für die Privatstiftung und zumindest einen anderen Rechtsträger (zB GmbH, AG).

Die Rechtsfolgen sind für das Selbstkontrahieren und für die Doppelvertretung nach allgemeinem Zivilrecht anerkanntermaßen dieselben. Insichgeschäfte sind grundsätzlich unwirksam, und zwar schon dann, wenn die Interessen des Vertretenen gefährdet werden können, und nicht erst bei einer tatsächlichen Gefährdung oder Benachteiligung. Grund für die Unwirksamkeit ist, dass eine Person regelmäßig nicht in der Lage ist, den gegenläufigen Interessen mehrerer Parteien gleichermäßen gerecht zu werden. Deshalb sind Ausnahmen von der grundsätzlichen Unwirksamkeit nach allgemeinem Zivilrecht anerkannt, wenn die Gefahr einer Interessenkollision fehlt. Demgemäß ist ein Insichgeschäft beispielsweise wirksam, wenn der bzw die beteiligte(n) Machtgeber damit einverstanden ist/sind, und nach herrschender, aber nicht unbestrittener Ansicht auch beim Kontrahieren zum Börse-/Marktpreis.

  1. Das Regelungskonzept des § 17 Abs 5 PSG

Das Gesellschaftsrecht begegnet dem charakteristischen Interessenkonflikt des Insichgeschäfts durch die Einbindung nicht befangener Organe. Dieser Zugang sieht sich bei der Privatstiftung mit einer Hürde konfrontiert. Zur Lösung der Interessenkollision steht bei der Privatstiftung aufgrund ihres Wesens (Stichworte: „eigentümerloses“ Vermögen mit Rechtspersönlichkeit) die Ebene der Gesellschafter nicht zur Verfügung. Konsequenterweise setzt das PSG daher zur Lösung des Interessenkonflikts, den der Gesetzgeber bei Rechtsgeschäften der Privatrechtsstiftung mit einem Mitglied des Stiftungsvorstands geortet hat, beim Aufsichtsrat an. Denn § 17 Abs 5 PSG normiert nur für das Fehlen eines Aufsichtsrats, dass ein Rechtsgeschäft der Privatstiftung mit einem Mitglied des Stiftungsvorstands durch alle übrigen Mitglieder des Stiftungsvorstands und durch das Gericht zu genehmigen ist.

  1. Welche Geschäfte erfasst § 17 Abs 5 PSG

Da Privatstiftungen in der Praxis jedoch nur selten einen Aufsichtsrat haben, ist das Genehmigungserfordernis weitaus bedeutender als die Devolution der Vertretungsbefugnis auf den Aufsichtsrat. Die Handhabung des Genehmigungserfordernisses stellt die Praxis primär vor Herausforderungen, weil noch nicht abschließend geklärt ist, welche Geschäfte § 17 Abs 5 PSG unterfallen:

  1. a) Selbstkontrahieren

Gesichert ist, dass § 17 Abs 5 PSG für das sogenannte Selbstkontrahieren gilt, also für Rechtsgeschäftsabschlüsse durch das Vorstandsmitglied für die Privatstiftung und für sich selbst. Weitgehend anerkannt dürfte auch sein, dass trotz formalen Nichtvorliegens eines Insichgeschäfts Rechtsgeschäfte erfasst werden, die einerseits das betroffene Vorstandsmitglied im eigenen Namen abschließt und die andererseits für die Privatstiftung von einem oder von den anderen Vorstandsmitgliedern abgeschlossen werden.

  1. b) Doppelvertretung

Indessen ist die Lit geteilter Ansicht, ob § 17 Abs 5 PSG für Rechtsgeschäfte gilt, die ein Stiftungsvorstand auch als Vertreter eines anderen Rechtssubjekts abschließt, und höchstgerichtlich ist – soweit überschaubar – die Geltung von § 17 Abs 5 PSG für die Doppelvertretung nicht entschieden. Es ist aber daran zu erinnern, dass der OGH (6 Ob 233/09x) § 17 Abs 5 PSG auch dann anwendet, wenn ein Mitglied des Stiftungsvorstands „nur“ als Treuhänder tätig wird, weil die Gefahr eines dem Wohl der Privatstiftung abträglichen Geschäfts besteht und sich damit genau jenes Risiko verwirklicht, vor dem § 17 Abs 5 PSG die Privatstiftung schützen will. Damit gibt es eine Rechtsprechung, die § 17 Abs 5 PSG auf Fälle erstreckt, die wertungsmäßig wohl nicht fern der Konstellation einer Doppelvertretung liegen.

  1. c) „Materielle Insichgeschäfte“

Zu beachten ist außerdem die Rechtsprechung, nach der das Genehmigungserfordernis gemäß § 17 Abs 5 PSG gilt, wenn die Privatstiftung zwar nicht mit dem Vorstandsmitglied persönlich ein Rechtsgeschäft abschließt, aber mit einer Gesellschaft, bei der das Vorstandsmitglied einziger Gesellschafter und Geschäftsführer ist. Schwierigkeiten bereitet bis dato diese Erweiterung auf sogenannte „materielle Insichgeschäfte“. Zur Abgrenzung dieser materiellen Insichgeschäfte fällt aus der Rechtsprechung zunächst ins Auge, dass der OGH den Rechtsgeschäftsabschluss mit einer GmbH, deren Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer ein Vorstandsmitglied war, ursprünglich noch als Extremfall bezeichnete, der § 17 Abs 5 PSG zu unterstellen ist. Allerdings markiert dieser Fall, wie der OGH klargestellt hat, bloß das Ende der Skala, an dem unzweifelhaft ein Interessenkonflikt vorliege, der wertungsmäßig dem Interessenkonflikt des formellen Insichgeschäfts entspreche. Denn laut OGH ist die Anwendung von § 17 Abs 5 PSG auf all jene Fälle auszudehnen, in denen der Geschäftsabschluss zumindest wirtschaftlich einem solchen mit dem Mitglied des Stiftungsvorstands gleichkommt (RIS-Justiz RS0131522). Die Krux bei der Sache sind die Kriterien für die Beurteilung, ob ein „wirtschaftlich gleichkommender“ Vertragsabschluss, mithin ein vergleichbarer materieller Interessenkonflikt vorliegt. Insofern bringt die bereits eingangs erwähnte Entscheidung (OGH 6 Ob 151/20d) keine Klarstellung. Denn der OGH kommt zwar zum Ergebnis, dass für die Anwendung von § 17 Abs 5 PSG auf das Kontrahieren der Privatstiftung mit einer GesbR irrelevant ist, in welchem Ausmaß das Vorstandsmitglied der Privatstiftung an der GesbR beteiligt ist. Grund dafür ist allerdings, dass das Vorstandsmitglied der Privatstiftung mangels Rechtsfähigkeit der GesbR (§ 1175 Abs 2 ABGB) als deren Gesellschafter Zurechnungssubjekt von Rechten sowie Pflichten, also Vertragspartner wird. Deshalb liegt zumindest formal betrachtet in der Tat ein Insichgeschäft vor, wenn die Privatstiftung mit einer GesbR kontrahiert, deren Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist. Außen vor lässt diese rein formale Betrachtung jedoch, dass der OGH die Anwendung des § 17 Abs 5 PSG in anderen Fällen davon abhängig macht, ob der Geschäftsabschluss zumindest wirtschaftlich einem solchen mit dem Mitglied des Stiftungsvorstands gleichkommt.

Univ.-Prof. Dr. Sixtus-Ferdinand Kraus lehrt am Institut für Zivilrecht der Johannes Kepler Universität Linz und ist Rechtsanwalt in Wien. Der Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit liegt im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie im wirtschaftsnahen Zivilrecht.