Während sich der VfGH im Jahr 2019 (VfGH 27.11.2019, E-5018/2018) positiv zur „Mausefalle“ bei Privatstiftungen geäußert hat, hat er im September 2020 (VfGH 21.9.2020, E 4282/2019-10) – hoffentlich einmalig – eine andere Linie eingeschlagen.
Abschwächung der Mausefalle durch VfGH 27.11.2019, E-5018/2018
2019 entschied der VfGH (E-5018/2018), dass für Zwecke der Kapitalertragsteuer-Berechnung nicht der Verkehrswert im Zeitpunkt der Zuwendung im Rahmen des Widerrufs abzüglich der historischen Anschaffungskosten der Stifterin heranzuziehen ist, sondern der Verkehrswert im Zeitpunkt der Stiftungseinlage in Abzug zu bringen ist. Im Ergebnis ließ der VfGH eine steuerneutrale Aufwertung des Vermögens im Zeitpunkt der Stiftungseinlage zu, sodass nur mehr der Verkehrswertzuwachs innerhalb der Privatstiftung der Kapitalertragsteuer unterliegt. Wesentlich für die steuerneutrale Aufwertung ist allerdings, dass die stillen Reserven des eingelegten Vermögens bei Einlage auf Ebene des Stifters nicht mehr steuerhängig waren.
Die Kernaussage der E-5018/2018 ist, dass die Zielsetzung der Vorgängerregelung des § 27 Abs 5
Z 9 EStG war, die Gesamtbelastung von Stifter und Privatstiftung mit Ertragsteuern bei Widerruf der Privatstiftung an jenem Niveau auszurichten, das im Fall des Fortbestehens des zugewendeten Vermögens beim Stifter gegeben wäre.
Kein Abzug der Stiftungseingangswerte bei Auflösung einer österreichischen Privatstiftung aus anderen Gründen als aus Gründen eines Widerrufes: VfGH 21.9.2020, E 4282/2019-10
Die genannte Entscheidung des VfGH vom 27.11.2019 brachte allerdings bisher keine Änderung für den Fall der Auflösung einer Privatstiftung aus anderen Gründen als dem Widerruf. Das ist darauf zurückzuführen, dass § 27 Abs 5 Z 9 EStG dem Wortlaut nach überhaupt nur dann einen Abzug von Stiftungseingangswerten (historischen Anschaffungskosten des Stifters) vorsieht, wenn eine Privatstiftung widerrufen und nicht aus sonstigen Gründen aufgelöst wird.
Bisher ist man – zumindest im Beraterkreis – davon ausgegangen, dass § 27 Abs 5 Z 9 EStG verfassungswidrig ist. Allerdings hat der VfGH dem Abzug der Stiftungseingangswerte bei Auflösung einer Privatstiftung als anderen Gründen als dem Widerruf in der bereits genannten negativen Entscheidung aus sonstigen Gründen kürzlich eine knapp begründete Absage erteilt.
Der VfGH stützte sich vor allem darauf, dass die Zuwendung aus Anlass eines Widerrufes rechtlich nicht mit der Zuwendung aus Anlass der Auflösung einer Privatstiftung vergleichbar ist: während sich der Stifter einen Widerruf bereits in der Stiftungserklärung vorbehalten muss (§ 34 PSG), ist dies bei der Auflösung der Privatstiftung aus sonstigen Gründen nicht der Fall.
Dagegen ist jedoch uE Folgendes vorzubringen: Sowohl im Falle des Widerrufes als auch im Fall der Auflösung wird das Restvermögen der Privatstiftung an die Letztbegünstigten ausgekehrt. Nur dann, wenn der Letztbegünstigte selbst Widmungen an die Privatstiftung vorgenommen hat, dh zugleich (Mit-)Stifter der Privatstiftung ist, kann er entsprechende Stiftungseingangswerte von der Letztzuwendung in Abzug bringen. Ist der Letztbegünstigte nicht zugleich (Mit-)Stifter, scheidet eine eine Anrechnung von Stiftungseingangswerten bei analoger Anwendung des § 27 Abs 5 Z 9 EStG ohnedies von vorne herein aus – und zwar unabhängig davon, ob die Privatstiftung aufgrund eines Widerrufes oder aus sonstigen Gründen aufgelöst wird.
Weitere Argumente für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 27 Abs 5 Z 9 EStG auch auf die Auflösung der Privatstiftung aus sonstigen Gründen sind uE beispielsweise Folgende:
- Der VfGH hat im Jahr 2005 bereits einen Teil des § 33 lit a ErbStG mit Entscheidung vom 2.3.2005, G 104/04 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Bestimmung des § 33 lit a ErbStG hat die Erstattung der Schenkungssteuer zwar bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes im Sinne des ABGB vorgesehen, nicht aber bei einer anderen zwangsweisen Herausgabe von Schenkungen. Verwunderlich ist, dass der VfGH in seiner aktuellen Entscheidung nicht mehr ausdrücklich auf diese Entscheidung eingeht.
- Mit dem Entfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde auch der „Mausefallen-Effekt“ geschmälert: steuerfreie Substanzausschüttungen wurden unter folgenden Umständen ermöglicht:
- Das Vermögen wurde der Privatstiftung nach dem 31. Juli 2008 gewidmet (sogenanntes „Neuvermögen“) und
- die Zuwendungen übersteigen die laufenden Erträge der Stiftung.
Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, sind Zuwendungen unabhängig davon, an wen sie getätigt werden (egal ob an (Mit-)Stifter oder an Personen, die bisher keine Widmungen an die Privatstiftung getätigt haben) insoweit steuerneutral möglich. Wurden Widmungen an die Privatstiftung allerdings bereits vor dem 1. August 2008 getätigt (sogenanntes „Altvermögen“), besteht die Möglichkeit des Abzuges der Stiftungswerte nur im Falle des Widerrufes und nur insofern, als der Letztbegünstigte selbst Widmungen an die Privatstiftung vorgenommen hat. Eine sachliche Rechtfertigung dieser Differenzierung ist uE nicht gegeben, weshalb die Schlechterstellung von Vermögen, das der Privatstiftung vor dem 1. August 2008 gewidmet wurde uE verfassungsrechtlich bedenklich ist. Der VfGH ist allerdings der Ansicht, dass der Gleichheitssatz nicht gebiete, die ab 1. August 2008 geltende Rechtslage für steuerneutrale Substanzauszahlungen auch auf jene Zuwendungen anzuwenden, die aus einer Substanz getätigt werden, die bis zum 1. August 2008 an die Privatstiftung gewidmet wurde.
Da der VfGH die Beschwerde der Beschwerdeführerin an den VwGH abgetreten hat, bleibt abzuwarten, wie der VwGH entscheidet. UE ist hinsichtlich einer verfassungskonformen Extension des § 27 Abs 5 Z 9 EStG auf Nicht-Widerrufsfälle (bei passendem Ausgangssachverhalt) noch nicht das letzte Wort gesprochen. Zukünftige Rechtsmittelfälle werden dem VfGH die Möglichkeit geben, die im Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2020 vertretene Meinung nochmals zu überdenken.
Auch die Frage, ob zwingend der Stifter, der der Privatstiftung das nicht mehr steueranhängige Vermögen gewidmet hat, widerrufen muss, oder ob auch der Widerruf durch einen Gesamtrechtsnachfolger des Stifters genügt, ist noch nicht höchstgerichtlich geklärt, aber derzeit Gegenstand eines VfGH-Verfahrens. Gleiches gilt für die Frage, ob das Vermögen zwingend an den Stifter zurückgelangen muss oder es beispielsweise auch an seinen Gesamtrechtsnachfolger ausgekehrt werden kann; denn lebt der Stifter nicht mehr (und kann er daher die Privatstiftung auch nicht mehr selbst widerrufen), kann auch das Vermögen der Privatstiftung nicht mehr an ihn ausgekehrt werden.
Univ. Doz., Dr. Friedrich Fraberger ist Tax Partner bei KPMG mit den Tätigkeitsschwerpunkten Estate Planning, Finanzstrafrecht, Konzernsteuerrecht und internationales Steuerrecht.
Mag. Viktoria Kraus ist Senior Managerin bei KPMG mit den Tätigkeitsschwerpunkten Estate Planning und internationales Steuerrecht.