Skip to main content
Steuer- und ZivilrechtVermögen in der Stiftung

Harter Faktor Anstand

By 4. Februar 2021März 26th, 2021No Comments

ESG-Kriterien, die Ökologie, Soziales und Unternehmensführung berühren, spielen in der Wirtschaftswelt eine immer wichtigere Rolle. Übernahmen und Kreditvergaben hängen von ihrer Einhaltung ab. Doch noch fehlt es an verbindlichen und vergleichbaren Standards.

ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und somit für Nachhaltigkeit. Die zunehmende Bedeutung der ESG-Kriterien ist ein Trend, auch in Österreich, der in den nächsten Jahren nicht nur Investoren bei Fusionen und Übernahmen beeinflussen, sondern auch Unternehmen dazu bewegen dürfte, die Erfüllung dieser Kriterien ernst zu nehmen. Diese betreffen nicht nur Umweltfragen, sondern auch Soziales, wie etwa Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards, Beachtung der Menschenrechte, gleiche Anforderungen an Unternehmen in der Lieferkette oder Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption. Werden diese Kriterien vernachlässigt, entsteht ein Risiko. ESG-Faktoren können die Bewertung von Unternehmen beeinflussen und negative Auswirkungen auf deren Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben. Dazu kommt bei Fehlen nachhaltiger Aktivitäten ein Reputationsrisiko. Schon die Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmen mit ESG-Risiken kann negative Auswirkungen auf Investoren und andere Unternehmen haben. Auf internationaler Ebene wurden bereits Fusionen und Übernahmen aufgrund von ESG-Risiken abgebrochen. Investoren berücksichtigen daher zunehmend bereits bei der Due-Diligence ESG-Faktoren, wobei nicht nur geprüft wird, ob die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben und Marktstandards erfüllt sind, sondern auch, ob diese den allgemeinen Erwartungen entsprechen und welche Risiken in Zukunft auftreten könnten. In Österreich existieren bereits seit einigen Jahren zahlreiche Regelungen zur Offenlegung der ESG-Kriterien. So etwa müssen bestimmte Unternehmen seit 2017 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, wie sie etwa mit Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Korruption, Bestechung und Menschenrechten umgehen. Die Transparenzpflichten im Hinblick auf ESG-Faktoren wurden kürzlich weiter verschärft. So sind etwa institutionelle Anleger und Vermögensverwalter angehalten, die Gesellschaften, in die sie investiert haben, hinsichtlich bestimmter ESG-Kriterien zu überwachen und eine entsprechende Mitwirkungspolitik zu veröffentlichen.

Zwar ist der Gesetzgeber bemüht, die Relevanz, Konsistenz und Vergleichbarkeit von ESG-relevanten Daten im Hinblick auf ESG zu erhöhen. Allerdings ist dies bisher nicht gänzlich gelungen; die Qualität der Informationen ist in den meisten Fällen verbesserungsfähig. Auf internationaler Ebene ist zu beobachten, dass sich etwa internationale Private-Equity-Fonds – unabhängig von regulatorischen Vorschriften – verpflichtet haben, konkrete ESG-Kriterien zu beachten und sowohl über deren positive sowie potenziell negative Auswirkungen auf ihre Investments regelmäßig zu berichten.

Es bleibt abzuwarten, ob der ESG Trend – unabhängig vom regulatorischen Rahmen – für eine bessere Qualität der Informationen und mehr Transparenz im Hinblick auf ESG-Faktoren sorgt.

Bedeutung für den Finanzsektor

Für den Finanzsektor sind die ESG-Kriterien bereits seit Jahren ein Thema – Stichwort „sustainable finance“. Die zentrale Rolle des Klimaschutzes in der europäischen und nationalen Politik verstärkt diesen Trend weiter. So spielt der Finanzsektor eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung und Umsetzung des „Green Deal“ der EU-Kommission. Ähnliches dürfte wohl auch für viele Punkte im Regierungsprogramm der türkis-grünen Bundesregierung gelten. ESG-Kriterien sind für Kreditinstitute sowohl bei der Finanzierung als auch bei der eigenen Refinanzierung wesentlich. Schon vor Jahren wurden die ersten „green bonds“ emittiert, derzeit wird verstärkt „green lending“ diskutiert. Internationale und europäische Investitionsbanken wie etwa die IFC, EIB und EBRD verlangen immer öfter die Einhaltung bestimmter ESG-Kriterien als Voraussetzung für Kreditzusagen.

Ein weiterer grüner Trend ist die steigende Suche nach „green investments“, und zwar nicht mehr nur von institutionellen Investoren, sondern auch von Kleinanlegern, die in nachhaltige Investmentfonds investieren. Kundenbetreuer werden künftig gesetzlich dazu verpflichtet sein, ESG Kriterien und Überlegungen in die Anlageberatung aufzunehmen.

Generell fehlen bisher einheitliche Regelungen etwa durch eine Art von Gütesiegel, ob etwas als grün oder nachhaltig bezeichnet werden darf. Das eröffnet die Gefahr von „greenwashing“. Hier soll auf EU Ebene die EU Taxonomy Abhilfe schaffen, also verbindliche Kriterien und Rahmenvorgaben für ein einheitliches Klassifikationssystem, was als ökologisch „nachhaltige wirtschaftliche Aktivität“ angesehen werden kann. Zudem sind entsprechende Veröffentlichungspflichten vorgesehen; sie betreffen einerseits die Berücksichtigung der EU Taxonomy bei Finanzprodukten, andererseits den Risikomanagementprozess institutioneller Investoren und Asset Managern in Bezug auf die ESG Faktoren.

Auch alle zuständigen nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden haben inzwischen die Nachhaltigkeit auf ihrer Agenda. So hat etwa die Finanzmarktaufsicht FMA erst kürzlich ihren Konsultationsentwurf für einen „Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ veröffentlicht; weiters beschäftigen sich die EZB, die europäische Bankenaufsichtsbehörde sowie die Wertpapier – und Marktaufsichtsbehörde ESMA umfassend mit dem Thema.

Generell sind Kreditinstitute von den zuständigen Aufsichtsbehörden angehalten, die ESG Kriterien im Rahmen Ihrer Governance Struktur zu beachten und beispielsweise eine „diversity policy“ zu implementieren. Dafür sollen die Kreditinstitute entsprechende Anreize erhalten – das läuft unter dem Stichwort „green supporting factor“. Die EBA hat erst kürzlich ein Prüfungsmandat für die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten erhalten.

Die EU-Aufsichtsbehörden haben allerdings (noch) gewisse Vorbehalte gegen derartige Incentives. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Politik  und die Kreditinstitute mit Forderungen dagegen durchsetzen werden.

Dr. Sarah Wared ist Partnerin im Corporate/M&A-Team bei Wolf Theiss Rechtsanwälte.