Dem Fragenkomplex nach den Vorgaben für eine wertebasierte Anlagepolitik vor dem Hintergrund der katholischen Soziallehre wurde bisher in der Literatur wenig Beachtung geschenkt. Diese Vernachlässigung verwundert, da nicht nur das Finanzvermögen der katholischen Kirche immer mehr Aufmerksamkeit erlangt, sondern auch ethisch-nachhaltige Vermögensanlagen immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Als Ziel galt die Prüfung, wie und in welcher Form sich ab dem 19. Jahrhundert basierend auf einem ethisch-nachhaltigen Anlagegrundsatz mit katholischer Ausrichtung eine eigenständige wertebasierte Anlagepolitik herleiten lässt. Dabei wurde vom Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstverständnis der Kirche als moralische Institution und deren Rolle als Akteur auf den Kapitalmärkten in der Sphäre des Finanzmarktrechts ausgegangen. Die kirchliche Anlagepolitik wurde ab dem 19. Jahrhundert rekonstruiert, genauer ab dem Zeitraum der Säkularisation, durch welche sich das kirchliche Vermögenshandeln grundsätzlich verändert hat. Grundlage für die Bewertung ist einerseits der kirchliche Selbstanspruch, welcher unter anderem in der katholischen Soziallehre dargelegt ist und anderseits die Grundlagen nachhaltiger Geldanlagen. Diese Grundlagen haben sich (auch) außerhalb des religiösen Milieus seit dem Brundtland-Bericht von 1987 bis hin zu den aktuellen Fragestellungen der Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDG) und den ESG-Kriterien sprunghaft weiterentwickelt. In der Subsumtion gelang es so, einen ethisch-nachhaltigen Anlagegrundsatz mit katholischer Ausrichtung zu entwickeln und auch entsprechende Prüfkriterien festzulegen.
Auf der Basis von diesem Anlagegrundsatz wurden dann die kollektiven Kapitalanlagen, die im deutschsprachigen Raum als wertebasiert beworben werden, eingehend untersucht. Ziel und Herausforderung war somit zu prüfen, inwiefern diese so definierten Vermögensanlagen im Spannungsfeld von konfessioneller Glaubwürdigkeit und ökonomischer Notwendigkeit bestehen können und inwieweit sich diese von den klassischen ethisch-nachhaltigen Finanzanlagen abgrenzen.
Kirchliche (institutionelle) Anleger sind wie die klassischen Privatanleger aufgrund der vorherrschenden Informationsasymmetrien, der erforderlichen Risikostreuung in der Anlage selbst und der mangelnden Professionalität in finanziellen Angelegenheiten kaum in der Lage, den entwickelten ethisch-nachhaltigen Anlagegrundsatz mit katholischer Ausrichtung durch gezielte Einzelinvestitionen realisieren zu können. Auch die spezifische Veranlagung von Vermögenswerten erfordert deshalb besondere rechtliche und organisatorische Regelungen als Rahmenbedingung. Dafür steht das Instrument der kollektiven Kapitalanlagen (Investmentfonds) zur Verfügung. In der Vermögensverwaltung können so Skaleneffekte realisiert und wertebasierte Veranlagungskriterien in einem sogenannte Themenfonds gewährleistet werden
Aufbau und Struktur von Investmentvermögen werden ausführlich entwickelt und die Vorgeschichte bis zur europäischen Regulierung sowie die unionsrechtliche Entwicklung der Investmentvermögen betrachtet. Die Anlagepolitik wird als Grundlage für die Veranlagung mit den generell-abstrakten Anlagegrenzen und den kollektiv-konkreten Anlagegrundsätzen erläutert. In diesem Zusammenhang wird dargelegt, wie eine wertebasierte Anlagepolitik mit einem Fachbeirat als Beratungsgremium berücksichtigt werden kann und welche Risiken (Stichwort faktische Organschaft) es aus regulatorischer Sicht zu beachten gilt. Für den Praktiker auch interessant ist die Darstellung vom Aufbau einer kollektiven Vermögensanlage mit wertebasierter Veranlagung, welche in der dargelegten Struktur auch für anderen themenbasierte Investmentvermögen herangezogen werden kann.
Die empirische Analyse und die Beurteilung der Investmentvermögen mit behaupteter wertebasierter Ausrichtung erfolgten abschließend anhand eins eigens dafür entwickelten Tools. Anhand von diesem finanzmathematischen Arbeitsinstrument wird nicht nur die Prüfung von Investmentfonds bezüglich nachhaltiger und ökonomischer Kriterien ermöglicht, sondern auch ethische Kriterien können als ebenbürtiger Faktor mit einbezogen werden. So werden die glaubensbasierten Merkmale, die Nachhaltigkeitskriterien, sowie die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen abgedeckt und als einheitlicher Faktor zur Beurteilung von Vermögenswerten nach katholischen Richtlinien (CFF) eingestuft. Das Werk schließt mit den Schlussfolgerungen sowie dem Ausblick und wird durch einen umfangreichen Anhang ergänzt.
Dr. iur. et Dr. phil. (DDr.) Marcel Lötscher, LL.M. MBA studierte an den Universitäten St. Gallen (HSG) und Bern Rechtswissenschaften. Als Erstausbildung hat er zudem die kaufm. Banklehre bei einer schweizerischen Großbank abgeschlossen. Lötscher erwarb das Luzerner Anwaltspatent und ist ausgebildeter Mediator. Lötscher war in verschiedenen Führungsfunktionen im Finanzbereich tätig. Unter anderem war er Mitglied der Geschäftsleitung einer schweizerischen Finanzgruppe. Im Jahr 2012 wurde er zum Leiter des Bereichs Wertpapiere und Märkte und zum Mitglied der Geschäftsleitung der Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein berufen. Lötscher ist Mitglied von verschiedenen Expertengruppen in den Bereichen Finanzmarktrecht und Regulierung. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, Compliance und Finanzethik und hält regelmäßig Vorträge zu diesen Themen.