1. Sachverhalt
Die Ö*-Privatstiftung beantragte beim Firmenbuchgericht die Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde. Der Erststifter hatte gemäß § 13 Abs 1 der Stiftungsurkunde das alleinige Recht, die Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde) zu ändern.
Die Änderungen wurden allerdings nicht vom Erststifter selbst vorgenommen, sondern von dessen Sohn als rechtsgeschäftlich bevollmächtigtem Vertreter auf Basis einer Vollmacht vom 23.8.2022. Diese Vollmacht war als „eingeschränkte Vollmacht“ in Notariatsaktsform errichtet und umfasste verschiedene Rechte des Erststifters gegenüber der Stiftung, darunter auch das Recht zur Änderung der Stiftungsurkunde.
Das Erstgericht wies den Antrag ab, da es der Ansicht war, dass der Sohn des Erststifters keine ausreichende Vertretungsmacht hatte. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts mit der Begründung, dass für die Änderung einer Stiftungserklärung eine Spezialvollmacht erforderlich sei, welche gegenständlich nicht vorlag. Außerdem betonte das Rekursgericht, dass die Änderung der Stiftungszusatzurkunde von der Vollmacht gar nicht umfasst war.
2. Notwendigkeit einer Spezialvollmacht zur Vertretung bei Änderungen von Stiftungserklärungen
Die bisherige Rechtsprechung hatte zur Vertretung bei Änderungen von Stiftungserklärung bereits wichtige Grundsätze entwickelt:
- Gestaltungsrechte des Stifters sind grundsätzlich nicht vertretungsfeindlich (vgl. 6 Ob 102/12 m)
- Das Änderungsrecht ist ein höchstpersönliches Recht des Stifters (vgl. 6 Ob 100/22 g)
- Nach dem Tod des Stifters können Gestaltungsrechte nicht mehr durch Bevollmächtigte ausgeübt werden (vgl. 6 Ob 108/15 y, 6 Ob 102/12 m)
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung darüber hinaus nun festgehalten, dass für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Eine „normale“ Vollmacht reicht daher nicht aus.
Der Oberste Gerichtshof stellt mit seiner Entscheidung klar, dass die Spezialvollmacht das konkrete Geschäft individualisierbar bezeichnen muss. Eine bloß abstrakte Auflistung von Rechtsgeschäften ist nicht ausreichend. Auch wenn die Vollmacht in Form eines Notariatsakts errichtet wurde, ersetzt dies nicht das Erfordernis einer Spezialvollmacht.
Die Spezialvollmacht soll den Geschäftsherrn vor übereilter Aufgabe des Einflusses auf das Stiftungsvermögen schützen, den tatsächlichen Bevollmächtigungswillen sichern und zudem auch verhindern, dass sich ein Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht seinem Machthaber völlig ausliefert.
Der Oberste Gerichtshof betont in seiner Entscheidung auch den Unterschied zur GmbH, bei welcher keine Spezialvollmacht zur Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer Spezialvollmacht soll hingegen bei Privatstiftungen durch die besondere Individualität des Rechtsakts des Stifters und der strengeren Formvorschriften im Stiftungsrecht begründet sein.
3. Fazit
Die Entscheidung hat große praktische Relevanz für die Gestaltung von Vollmachten im Stiftungsrecht. Die Entscheidung bringt mehr Rechtssicherheit, stellt aber auch höhere Anforderungen an die Gestaltung von Vollmachten. Eine sorgfältige Formulierung der Spezialvollmacht unter genauer Bezeichnung der beabsichtigten Änderungen ist künftig unerlässlich. Generelle Vollmachten, wie man sie etwa teilweise auch in Vorsorgevollmachten findet, stellen jedenfalls keine taugliche Änderungsgrundlage mehr dar.
Mag. Johannes Wolfgruber, MBA ist Rechtsanwalt und Partner der HASCH UND PARTNER Rechtsanwälte GmbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Gesellschafts-, Handels- und Unternehmensrecht. Besondere Spezialgebiete sind Privatstiftungsrecht, Umgründungen und Unternehmenstransaktionen (M&A), Unternehmensgründung und -nachfolge. Darüber hinaus ist er Fachvortragender und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen insbesondere zum Privatstiftungsrecht.
Mag. Vanessa Rericha ist seit August 2022 als Rechtsanwaltsanwärterin für Hasch und Partner in Linz tätig.