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Steuer- und Zivilrecht

OGH beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen Testament und Privatstiftung

By 14. April 2021No Comments

Allgemeines

Eine aktuelle OGH Entscheidung (2 Ob 190/20k) zeigt, wie wichtig die sorgfältige Abstimmung von letztwilligen Anordnungen und Regelungen der Stiftungserklärung ist.

Im konkreten Fall hat der Erblasser im Jahr 2004 in einer letztwilligen Verfügung den Stiftungsvorstand einer von ihm gegründeten Privatstiftung „angewiesen“, im Falle seines Ablebens einen Betrag von EUR 700.000,– an seine Lebensgefährtin zu bezahlen. Die Stiftungszusatzurkunde sah zu diesem Zeitpunkt offenbar keine korrespondierende Begünstigtenstellung der Lebensgefährtin vor.

Später änderte der Erblasser im Jahr 2007 die Stiftungszusatzurkunde dahingehend ab, dass seine Lebensgefährtin Begünstigte ist und nach seinem Tod EUR 2.000.000,- EUR von der Privatstiftung erhalten soll. Zum gleichen Zeitpunkt errichtete der Erblasser ein neues Testament, in dem er die Privatstiftung als Erbin einsetzte. Die Zuwendung von EUR 700.000,– an die Lebensgefährtin  aus seinem früheren Testament erwähnte der Erblasser weder im neuen Testament, noch in der überarbeiteten Stiftungszusatzurkunde.

Die Lebensgefährtin begehrte nun aber die „ältere“ Zuwendung von EUR 750.000,– zusätzlich zu jener der neugeregelten Stiftungsurkunde von EUR 2.000,000,–.

Es stellen sich hier gleich zwei spannende Rechtsfragen:

  1. War die Weisung an den Stiftungsvorstand im älteren Testament überhaupt zulässig?
  2. Wie ist das Verhältnis zwischen älterer und neuerer Verfügung?

 Rechtliche Qualifikation der letztwilligen Verfügung

Die Anordnung im ersten Testament wurde zu Recht als Weisung an den Stiftungsvorstand qualifiziert, die aus stiftungsrechtlichen Gründen unzulässig ist.

Weisungsrechte des Stifters oder anderer Organe der Privatstiftung spießen sich mit der Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes. Dieser ist nämlich vordergründig dem Stiftungszweck verpflichtet, welcher sich aus der Stiftungserklärung ergibt,

Verhältnis von älterer und neuer Nachfolgeregelung

Selbst wenn diese ältere letztwillige Verfügung aber zulässig gewesen wäre, hätte die Lebensgefährtin dadurch nichts gewonnen. Denn der OGH beurteilte die spätere Änderung der Stiftungszusatzurkunde und Errichtung eines neuen Testaments als umfassende Neuregelung der Versorgung der Angehörigen des Erblassers. Daher war laut OGH bereits aus diesem Grund die frühere Verfügung unbeachtlich.

Empfehlung

Dieser Fall zeigt sehr anschaulich, dass letztwillige Verfügungen und Stiftungsurkunde sorgfältig aufeinander abzustimmen sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass das gewünschte Nachfolgekonzept rechtssicher und ohne erbrechtlichen Streit Bestand hat.

Im konkreten Fall wäre es etwa empfehlenswert gewesen im späteren Testament festzuhalten, ob die frühere Verfügung widerrufen oder aber (zusätzlich zum neuen Testament) weiterhin aufrecht bleiben soll.

Zudem hätte man die unzulässige Weisung an den Stiftungsvorstand durchaus rechtskonform wie folgt umsetzen können: durch die Einsetzung der Privatstiftung als Erbin und die Einsetzung der Lebensgefährtin als Vermächtnisnehmerin.

Dr. Martin Melzer, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner der Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Privatstiftungs- und gemeinnütziges Stiftungsrecht, sowie im Erb-, Familien und Gesellschaftsrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikation und Vortragender ua im Masterstudiengang „Familienunternehmen und Vermögensnachfolge“ der Universität Wien.