Manfred Wieland: Lieber Herr Frangulidis, die Frage, die im Moment viele beschäftigt ist die, ob die Inflation gekommen ist, um zu bleiben?
Anastassios Frangulidis: Als Folge des Platzens der IT-Blase vor zwanzig Jahren sowie der Finanzmarktkrise in 2008/2009 musste der private Sektor und insbesondere die Haushalte in den USA Ihre Bilanz reparieren, was zu einer schwachen Nachfrage geführt hat. Das hat in den letzten zwei Jahrzehnten deflationär gewirkt. Nun sieht es danach aus als ob die US-Haushalte ausgabefreudiger werden, während der zunehmende globale Protektionismus die Produktionskosten erhöht. Die Zeiten einer strukturell tiefen Inflationsrate sind deshalb vorbei.
MW: In den USA habe wir sehr hohe Inflationsraten – wann sehen wir diese in Europa oder sind sie schon da?
AF: In den USA liegt die Inflationsrate aktuell bei 7.5%. In den Ländern der Euro-Zone bewegt sich aktuell die Inflationsrate rund um 5%, so dass wir auch hier von einem starken Preisanstieg reden können. Einzig in der Schweiz befindet sich die aktuelle Inflationsrate von 1.6% im vernünftigen Rahmen.
MW: Was sind die Gründe für die stark steigende Inflation?
AF: Die durch die starke Antwort der Fiskalpolitik auf die COVID-Krise, entstandene Nachfrage, trifft auf ein Angebot an Gütern, welches aufgrund der pandemiebedingten Störung der globalen Lieferketten negativ beeinträchtigt ist. Das Nachlassen der Pandemie wird die Lage entspannen und zu einem Rückgang der Inflation im Verlauf des Jahres führen. Diese wird wie zuvor erwähnt, wahrscheinlich auf einem höheren Niveau einpendeln als vor dem Ausbruch der Pandemie der Fall war
MW: Welche Möglichkeiten hat die Politik bzw. Notenbanken, um die Inflation einzuschränken?
AF: Die Notenbanken können nicht viel gegen den angebotsbedingten Preisanstieg vornehmen. Sie können aber die Nachfrageseite mittels eines restriktiveren Kurses abschwächen. Die Fed wird deshalb in nächster Zeit mit dem Leitzinserhöhungszyklus starten.
MW: Wie sollten sich Stiftungen anhand der hohen Inflation im aktuellen geopolitischen Umfeld und aktuellen Wirtschaftszyklus positionieren?
AF: Da Stiftungen einen langfristigen Anlagehorizont haben, können sie gut mit der jeweiligen Aktualität umgehen und sind nicht veranlasst in Zeiten der Marktschwäche wie wir im Moment erleben, risikobehafteten Assets zu verkaufen. Die aktuelle Korrektur an den Aktienmärkten ist kein Zeichen einer negativen Gewinnentwicklung – auch wenn die Gewinndynamik in den letzten Monaten nachgelassen hat- sondern einer Bewertungskorrektur aufgrund der höheren Realzinsen. Da der Markt eine deutliche Straffung der US-Geldpolitik bereits eingepreist hat, ist die Bewertungskorrektur bereits fortgeschritten. Stiftungen sollten deshalb Ihre Portfoliorisiken nicht reduzieren und weiterhin in Realwerte investieren.
MW: Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Anastassios Frangulidis leitet seit Oktober 2016 das Schweizer Multi Asset Team bei Pictet Asset Management in Zürich, welches schon seit über 25 Jahren Portfolios institutioneller Kunden über alle Anlageklassen hinweg verwaltet. Er begann seine Karriere als Portfolio Manager bei der UBS. Seit 1999 war er bei der Zürcher Kantonalbank und von 2002 bis 2010 als deren Leiter Volkswirtschaft international tätig. Danach und bis September 2016 leitete er als Chefökonom und Chefstratege den Bereich Multi Asset Research und war verantwortlich für die Anlagestrategie der Bank.