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Vermögen in der Stiftung

Nachhaltigkeitsreporting – Herausforderungen bei der Umsetzung

By 9. November 2020November 12th, 2020No Comments

Vor wenigen Jahren waren Begriffe wie „ESG“ (Environmental – Social – Governance), „Nachhaltigkeit“ oder „CO2-Fußabdruck“ in der Finanzindustrie noch ein Nischenthema. Die Entwicklung war lange Zeit insbesondere durch gemeinnützige und kirchliche Institutionen getrieben, die ihre Werte auch in der Auswahl und Bewertung von Finanzanlagen umsetzen wollten.

In der Zwischenzeit hat der Stellenwert ESG-relevanter Themen in der öffentlichen Meinung stark zugenommen. Medien haben diese Entwicklung weiter verstärkt. Dadurch sehen sich mehr und mehr Unternehmen unter Druck, ESG-Faktoren in ihre Strategie zu integrieren. In Kombination mit der verstärkten Nachfrage von Anlegern hat dies zur Folge, dass nachhaltiges Investieren die Nische verlässt, und nach und nach zur Norm wird.

Die Finanzindustrie hat diesen Trend aufgenommen und mittlerweile eine unübersichtliche Vielfalt an Finanzprodukten im Vertrieb, die es dem Anleger ermöglichen sollen, ESG-Kriterien bei der Vermögensanlage zu berücksichtigen. Gemäß dem Marktbericht 2019 des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) wuchs das Investmentvolumen von nachhaltigen Investmentfonds und Mandaten binnen Jahresfrist um knapp 45 Prozent auf 133,5 Mrd. Euro per 31. Dezember 2018. Da es keinen einheitlichen internationalen Standard für Faktoren wie Systematik, Kategorisierung oder Datenqualität gibt, sind die Resultate nicht nur hinsichtlich ihrer Qualität und Konsistenz unterschiedlich, sondern auch für den Anleger nicht vergleichbar.

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Jahr 2018 einen Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen entwickelt. Ziel ist es, den Finanzsektor in die Ziele nachhaltiger Finanzierung aktiv mit einzubinden. Ein besonderer Schwerpunkt betrifft dabei die Eindämmung des Klimawandels. Neben der Etablierung von nachvollziehbaren EU-Standards bei der Klassifizierung von nachhaltigen Aktivitäten soll ein EU-Label für „grüne“ Finanzprodukte geschaffen werden, um Investoren bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Immer mehr institutionelle Investoren sind durch gesetzliche Vorgaben gezwungen, Nachhaltigkeitsaspekte stärker zu berücksichtigen. Vorgaben für Pensionskassen werden beispielsweise in Deutschland und Österreich insbesondere bei der Auswahl von Vermögenswerten („nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien“) und bei der Informationspflicht („Berücksichtigung von ESG-Kriterien“) gemacht.

Kirchliche Institutionen, die auf diesem Gebiet schon vor vielen Jahren Initiativen gesetzt haben (zum Beispiel der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden 1997), haben ihre ESG-Kriterien kontinuierlich weiterentwickelt. Zuletzt hat die österreichische Bischofskonferenz im Januar 2018 Mindeststandards für die „ethische Geldanlage“ definiert. Kirchliche Rechtsträger haben seitdem zwei Jahre Zeit, die Inhalte dieser Richtlinie in der Praxis umzusetzen. Der Leitfaden definiert nicht nur die Anforderungen, sondern fordert auch die Implementierung effektiver Kontrollmechanismen.

Im Gegensatz zu Finanz- bzw. Bilanzkennzahlen gibt es jedoch für Unternehmen aktuell keinen weltweiten Standard wie über ESG-Risiken zu berichten ist. Initiativen wie die „Principles for Responsible Investment (PRI)“ der Vereinten Nationen versuchen Standards in diesem Bereich zu setzen.

ESG-Ratings machen Nachhaltigkeitsansätze messbar

Führende Asset Manager sehen ESG-Ratings mittlerweile nicht bloß als Risikokennzahl. Neben den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen ist die Fähigkeit eines Unternehmens Verantwortung in diesen Bereichen zu übernehmen auch ein Zeichen für dessen langfristige Erfolgschancen. Ergebnisse dieser Analysen fließen mittlerweile auch in den Anlageprozess von Fonds ein, die nicht explizit nach einem Nachhaltigkeitsansatz verwaltet werden.

Diese Entwicklungen bewegen immer mehr Anleger dazu, ESG-Kriterien im Anlageprozess zu berücksichtigen und die Ergebnisse zu messen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die definierten Vorgaben in diesem Bereich eingehalten werden. Darüber liefern entsprechende Berichte eine Entscheidungsgrundlage für verantwortliche Organe. Stakeholder gegenüber kann das Wahrnehmen von Verantwortung in diesem Bereich nachgewiesen werden.

Für den Asset Manager ist es wichtig, dass er durch die Vorgabe von ESG-Kriterien in seinen Anlageentscheidungen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Dies könnte einen negativen Einfluss auf die Diversifikation des Portfolios haben. Die Anlageergebnisse könnten dadurch nachteilig beeinträchtigt werden.

Übliche Weltindizes zeigen differenziertes Bild

Wie hoch ist der Standard im Bereich Nachhaltigkeit bei internationalen Unternehmen aktuell? Um Ihnen ein Gefühl dafür zu geben, haben wir für zwei Indizes analysiert, die nicht selten auch als Benchmark in den Kategorien Anleihen und Aktien herangezogen werden. Die Analysen basieren auf ESG Research-Daten von MSCI:

 

  Bloomberg Barclays Global-Aggregate TR Index MSCI AC World Index
Kategorie Anleihen Aktien
ESG-Rating 6.2 5.7
UNGC-Compliance nicht compliant nicht compliant
Höchstes

ESG-Rating

(Top 5)

AB Sveriges Sakerstallda

Essity Aktiebolag

Diageo PLC

Stockland Corporation

Gecina SA

Essity Aktiebolag

JCDECAUX SA

NTT Docomo Inc.

Investec PLC

Tiffany & Co.

Niedrigstes

ESG-Rating

(Flop 5)

Liberty Interactive Corporation

Volkswagen AG

Plains GP Holdings

Grupo Televisa

Petroleos Mexicanos

Olympus Corporation

COSCO Shipping Holdings

SMC Corporation

Guangdong Investment Ltd.

Taiwan Cement Corp.

Die Beispiele verdeutlichen, dass es mit herkömmlichen Indexprodukten und Benchmark-orientierten Fonds schwer ist, sehr gute Ergebnisse im ESG-Bereich zu erzielen.

In der Praxis ergeben sich für den Anleger deshalb einige Herausforderungen, die bei der Implementierung eines ESG-Reportings zu beachten sind. Viele Banken und Kapitalanlagegesellschaften bieten für ihre Anlegerfonds bereits ESG-Ratings. In einem gemischten Portfolio führt dies dazu, dass aufgrund der unterschiedlichen methodischen Zugänge die diversen Einzelwerte und Fonds uneinheitlich bewertet werden. Ein aussagekräftiges Ergebnis ist damit kaum oder nur sehr schwer möglich.

Anleger sollten sich ebenfalls bewusst sein, dass wie in vielen anderen Bereichen auch, die Verpackung manchmal mit dem Inhalt nicht übereinstimmt. Aktiv verwaltete Fonds, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, weisen in vielen Fällen – aufgrund des höheren Aufwands – auch höhere Gebühren auf. Nur ein unabhängiges ESG-Reporting kann gewährleisten, dass die Grundsätze eingehalten werden und der Anleger auch das bekommt, wofür er zahlt.

Ein ESG-Reporting hat daher nach einer einheitlichen Methodik zu folgen, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Finanzanlagen einheitlich bewertet werden. Die Ergebnisse werden dadurch nicht nur untereinander, sondern auch in Bezug zu einer Benchmark und einer Peer Group vergleichbar. Gerade ein relativer Vergleich liefert interessante Aussagen, zeigt Verbesserungspotenziale auf und stellt Aussagen über die nachhaltige Entwicklung eines Portfolios im Zeitverlauf bereit.

Eine transparente Darstellung der Ergebnisse ermöglicht es, entsprechende Schlüsse zu ziehen und Optimierungen umzusetzen. Bei Verstößen gegen Ausschlusskriterien sind beispielsweise die betreffenden Unternehmen und deren Gewichtung auszuweisen. Zudem sollte hervorgehen, aus welchem Grund das Unternehmen gegen ein Kriterium verstößt.

Digitalisierung hilft, ESG-Reportings zu verbessern

Es ist davon auszugehen, dass ESG-Reporting Systeme in Zukunft nach und nach akkurater werden. Die internationalen Datenanbieter arbeiten laufend an den Prozessen, um die Datenqualität auf Unternehmensebene zu verbessern. Auf der anderen Seite sehen sich Unternehmen immer weiter gezwungen, ESG-relevante Kennzahlen zu veröffentlichen bzw. die Qualität der Kennzahlen zu steigern. Mit Hilfe der Digitalisierung wird es immer effizienter möglich, hohe Datenmengen aufzubereiten und auszuwerten.

Während sich die Qualität der Daten im Bereich der liquiden Finanzanlagen immer weiter verbessert, ist es für Anleger, die in Sachanlagen, beispielsweise in Immobilien oder Private Equity investieren, noch bedeutend schwieriger. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, dass der Druck auch in diesem Bereich zu einer Verbesserung der Datenqualität führt.

Anleger, die ein ESG-Reporting etablieren und ESG-Kriterien in ihrem Anlageprozess berücksichtigen wollen, sei empfohlen, unabhängige und professionelle Spezialisten mit einzubeziehen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Vorgaben auch tatsächlich umgesetzt werden, die Kosten im Rahmen bleiben und die Anlageergebnisse nachteilig den Erwartungen entsprechen. Ein umfassendes ESG-Controlling unterstützt bei der Definition geeigneter Kriterien, überwacht die Umsetzung der Anlagestrategie und ermöglicht mit aussagekräftigen Berichten eine akkurate Darstellung und Bewertung der Ergebnisse.

Mag. Stefan Kargl ist Geschäftsführer der LMM Investment Controlling AG, Wien. Er hat sich nach seiner Ausbildung zum Steuerberater auf den Kapitalmarktbereich spezialisiert. Als unabhängiger Investment Controller analysiert und überwacht die LMM AG die Vermögensanlagen ihrer Kunden (insbesondere Stiftungen und vermögende Privatpersonen) und berichtet transparent über Rendite, Risiko und Kosten.

Mag. Manfred Wieland, ESIA, ist Gründer der Plattform stiftung-nextgen.at und ausgewiesener Experte im österreichischen Stiftungswesen.
Er ist für die LMM Investment Controlling AG als Director tätig und kümmert sich um den weiteren Ausbau der Geschäftstätigkeit der LMM im Rahmen der Analyse, Überwachung und Begleitung von Vermögensanlagen.