Strenge Anforderung an das Mitverschulden von Mitgliedern des Stiftungsvorstand bei Anlegerschäden
- Sachverhalt zu 7 Ob 181/18w
Der OGH-Entscheidung 7 Ob 181/18w vom 30.01.2019 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die klagende Privatstiftung war Kundin der beklagten Bank. Die Privatstiftung kaufte über Empfehlung der Bank obligatorische Genussscheine, die von einer Tochtergesellschaft der Bank emittiert wurden. Die Privatstiftung traf diese Anlageentscheidung unter anderem basierend auf einer Produktbroschüre, die zahlreiche Prognosen und Szenariorechnungen enthielt, die teilweise unrichtig, unvollständig beziehungsweise unrealistisch waren. Die Privatstiftung begehrte Schadenersatz. Die Bank wendete Mitverschulden (des Stiftungsvorstands) der Privatstiftung am Scheitern der Veranlagung ein.
- Aus der rechtlichen Begründung des OGH
Prospekthaftungsansprüche gemäß § 11 Kapitalmarktgesetz (mangelhafte Angaben im Kapitalmarktprospekt) sowie Ansprüche nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestehen dann, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird.
Banken sind zu besonderer Vorsicht und Zurückhaltung verpflichtet, wenn sie gegenüber ihrem Kunden zukünftige Entwicklungen prognostizieren. Prognosen müssen jedenfalls einen Hinweis auf Unsicherheit und Abhängigkeit von zukünftigen Entwicklungen enthalten und auf einer sorgfältigen Auswertung der verfügbaren Quellen beruhen.
Ob von einem Mitverschulden (des Stiftungsvorstands) der Privatstiftung am Scheitern ihrer Veranlagung ausgegangen werden kann, ist anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Bei der Prospekthaftung ist dafür die „Wissensdifferenz“ zwischen Prospekthaftpflichtigen und Anleger maßgeblich.
Für Außenstehende lagen die unrichtigen Prognoseentscheidungen und Szenariorechnungen in der nicht überprüfbaren Sphäre der Bank. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass in diesem Zusammenhang die Fachkunde von Mitgliedern des Stiftungsvorstands ein Mitverschulden begründen könnte.
Die Bank stellte in ihrem Prospekt fehlerhafte Informationen geradezu in den Vordergrund. Die Bank erweckte damit sowie mit den persönlichen Beratungsgesprächen auch bei einem aufmerksamen, informierten Vertreter einen unrichtigen Eindruck über die mit der Anlage verbundenen Risiken.
- Fazit
Die Fachkunde von Mitgliedern des Stiftungsvorstands einer Privatstiftung ist im Zusammenhang mit Mitverschulden bei Prospekthaftungsansprüchen im Einzelfall zu beurteilen. Wenn für Außenstehende die unrichtigen Prognoseentscheidungen und Szenariorechnungen in der nicht überprüfbaren Sphäre des Beraters beziehungsweise der Bank liegen, ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Mitverschulden – beispielsweise von Mitgliedern des Stiftungsvorstand, auch wenn diese über eine gewisse Fachkunde verfügen – des Anlegers bejaht wird.
Dr. Nikola Leitner-Bommer ist Anwältin bei Leitnerlaw