Angenommen, der im letzten Blog beschriebene Analyseprozess hätte ergeben, dass der strategische Kurs des Unternehmens geändert bzw. die Strategie neu formuliert werden muss. Dann stellt sich klarer Weise unmittelbar die Frage, wie man das am besten anstellt.
Eine Strategie zu entwickeln bedeutet, aus den vorliegenden Informationen, Fakten und Analysen die richtigen Schlüsse zu ziehen und die notwendigen Richtungsentscheidungen zu treffen.
Was so einleuchtend klingt, wird nach meiner Erfahrung dennoch eher selten in dieser klaren Form gelebt. Viel zu oft entsteht im Zuge der Strategieentwicklung vor allem Hochglanzpapier: Blumig formulierte Mission Statements und Visionen, schwammig formulierte „strategische“ Zielsetzungen, unklare, weil nur sehr allgemein beschriebene „Strategien“ und vor allem: keine Entscheidungen. Ein Strategiepapier, das zu keinen wahrnehmbaren Veränderungen im Unternehmen führt, beinhaltet – ganz egal, was drinsteht – nur eine einzige strategische Festlegung: nämlich alles so zu belassen, wie es ist, und das Unternehmen allenfalls nach den Erfordernissen des operativen Alltags inkrementell weiterzuentwickeln.
Echte Strategieentwicklung
Wir befassen uns aber hier mit echter Strategieentwicklung vor dem Hintergrund erkannter Veränderungsnotwendigkeiten. Der erste wichtige Schritt ist mit der strategischen Analyse ja bereits erfolgt: es gibt im Management ein Problembewusstsein. Es ist klar, welche strategische Fragestellung gelöst werden muss. Das „Warum“ ist allen bewusst und steht nicht mehr zur Diskussion. Unklar sind dagegen noch die konkreten Zielsetzungen und der Weg dorthin. Diese beiden Fragen muss die Strategie beantworten.
Wenn die Strategieumsetzung funktionieren soll, sind auch noch drei weitere Dinge wichtig1: erstens muss das strategische Ziel (die „Vision“) überzeugen und attraktiv sein. Zweitens müssen das Management und die Mitarbeiter zumindest mehrheitlich daran glauben, dass die Vision auch realisierbar ist. Und drittens braucht es Einigkeit im Management über den strategischen Kurs. Häufig wird versucht, diese Einigkeit herzustellen, indem man das Strategieteam sehr breit aufstellt und möglichst viele „Stakeholder“ in den Strategieentwicklungsprozess integriert. Diese Versuche scheitern – soviel ich bisher gesehen habe – so gut wie immer. Es gibt da nach meiner Erfahrung einen einfachen Zusammenhang: je größer das Strategieteam, desto dürftiger die Ergebnisse. Ich weiß, dass es unpopulär ist und vielleicht auch altmodisch klingt, dies in dieser Deutlichkeit auszusprechen. Denn aktuell sind vor allem partizipative Managementkonzepte en vogue. Aber nach meiner Erfahrung ist es so – und eigentlich ist das ja auch ganz logisch: jeder, der in die Strategieentwicklung involviert ist, versucht, seine Ideen und Vorstellungen durchzubringen. Jeder versucht außerdem, das Beste für sich herauszuholen bzw. seinen Einfluss im Unternehmen abzusichern oder auszubauen. Sich widersprechende Überzeugungen und Partikularinteressen verhindern unweigerlich jede vernünftige Strategieformulierung. Das Ergebnis sind nicht selten faule Kompromisse, die das Unternehmen überhaupt nicht weiterbringen und letztlich nur den Status Quo zementieren.
Strategie forumielen
Nach meiner Überzeugung ist es die nicht delegierbare Aufgabe und Verantwortung der Geschäftsführung, die Strategie (auf der obersten Ebene) zu formulieren und die Strukturen zu schaffen, die für die Umsetzung der Strategie notwendig sind. Letzteres erfordert oft gleich am Anfang den Mut, weit reichende Personal- und Strukturentscheidungen zu treffen. Strategie ist keine leichte Aufgabe. Eine umsichtige Geschäftsführung wird sich mit dem Strategieleiter und einigen ausgewählten internen und externen Vertrauensleuten beraten und sich die Unterstützung des Aufsichtsrates und hier insbesondere auch der Belegschaftsvertretung sichern. Sie wird davor die strategischen Optionen von Expertenteams oder externen Beratern ausarbeiten und taugliche Entscheidungsgrundlagen aufarbeiten lassen. Aber die Entscheidungen trifft nur sie, die Geschäftsführung. In keinem Fall darf die Strategie einem basisdemokratischen Meinungsbildungsprozess überlassen werden (übrigens genauso wenig wie andere Aspekte erfolgreicher Betriebsführung wie zB die Finanzen oder die Personalentwicklung). Strategie ist Sache der Geschäftsführung. Punkt.
Erst danach, erst nachdem die wesentlichen strategischen Weichen gestellt sind, ist die Einbindung der nächsten Ebenen nicht nur sinnvoll, sondern unbedingt erforderlich. Auch beginnt erst dann das so häufig in falschem Zusammenhang strapazierte „Change Management“. Daraus ergibt sich die folgende Vorgehensweise für die Strategieentwicklung. Jede der hier dargestellten vier Phasen ist entscheidend und muss entsprechend sorgfältig vorbereitet werden. Wo es zu tiefgreifenden Veränderungen kommt, empfiehlt sich klarer Weise eine professionelle Change Begleitung und die Gestaltung der Phasen nach den Grundsätzen guten Veränderungsmanagements.
Ausgangspunkt sind – daran sollte ich an dieser Stelle erinnern – die Ergebnisse des Analyseprozesses. Die Fakten sind also allen bekannt und werden von allen nachvollzogen. Ohne diese Grundlage (i.e. die Antwort auf die Frage nach dem Warum) kann man sich das Folgende sparen.
Formulierung der strategischen Zielsetzung (der „Vision“) und Skizzierung des Weges dorthin („50.000 ft. map“) durch die Geschäftsführung. Als Vehikel zum Transport dieser strategischen Festlegungen empfiehlt sich die Grundsatzrede, die auf allen Kanälen gespielt wird, gefolgt von einer Reihe sorgfältig orchestrierter Informations- und Dialogveranstaltungen mit dem Management und der Belegschaft.
Umsetzung
Rasche Etablierung der Umsetzungsstrukturen. Diese sind in der Grundsatzrede bereits anzukündigen und stellen den ersten Umsetzungsschritt dar. Manchmal reicht es, die Unternehmensplanungen in einem kaskadierenden Prozess an die Strategie anpassen zu lassen und ggf. das eine oder andere strategische Projekt aufzusetzen. Vielleicht richtet man auch ein PMO (Project Management Office) ein, wenn mehrere Projekte initiiert werden. Manchmal muss man aber erst die Unternehmensstrukturen umbauen, um strategisch auf Kurs kommen zu können. Das allein kann schon ein längerer Prozess sein, der eine eigene entsprechende Change-Begleitung erfordert. Wichtig ist, dass er sofort und entschlossen angegangen wird. Überhaupt muss klar ersichtlich sein, dass sich das Management zur Umsetzung der Strategie verpflichtet hat: ab jetzt gibt es keine Kompromisse mehr.
Die Unternehmensstrategie wird in der Folge entlang der geschaffenen Umsetzungsstrukturen detailliert (oder wie man auch im eher hässlichen Strategiedeutsch sagt: heruntergebrochen). Die grobe „50.000 ft. map“ wird um entsprechend präzisere Landkarten ergänzt. Am Ende dieses Prozesses ist das gesamte Unternehmen strategisch neu ausgerichtet: neue Ziele, neue Pläne.
Etablierung eines Instrumentariums zur Fortschrittsmessung. „What gets measured, gets done“. Ich empfehle, die Kennzahlen und Fortschrittsberichte im gesamten Unternehmen bekannt zu machen. Diese Transparenz hat nach meinem Dafürhalten sehr stark einigende Wirkung. Sie spornt an, wenn man zurückfällt. Sie motiviert, wenn man erfolgreich ist. Und sie sorgt dafür, dass die strategische Agenda im unternehmensinternen Diskurs präsent bleibt.
Sind diese vier Stufen bewältigt, befindet sich das Unternehmen mitten in der Strategieumsetzung. Diese wird vom obersten Management des Unternehmens gesteuert und über den Prozess der „strategischen Analyse“ (s. Blog6) laufend überprüft und hinterfragt.